Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
als eine wirkliche Frage.
»Keine Ahnung«, erwiderte ich und hoffte bloß, er hätte vergessen, was ich am Vortag über meine Bereitschaft zu RPF -Diensten gesagt hatte. Ich wurde in den Konferenzraum zurückgeschickt, wo ich einige Stunden wartete, bis Mr. Rathbun mich abholte und erklärte, wir würden ein E-Meter-Interview durchführen.
Er nahm die einschüchternde Haltung eines harten Sec-Checkers an, was in mir stets den gegenteiligen Effekt auslöste. Ich ließ mich nicht leicht einschüchtern. Es folgte das übliche Trommelfeuer an Sitzungsfragen: Ob ich etwas verbarg. Was meine wahren Beweggründe waren, nicht mitzugehen. Was ich für meine Familie empfand. Was für meinen Onkel. Mindestens drei Stunden ging es so weiter. Am Ende war ihm klar, dass ich blieb, weil ich ein Sea Org-Mitglied sein wollte. Allerdings entdeckte er auch, dass ich seiner Frau, Mr. Anne Rathbun, gegenüber gelogen hatte. Ich hatte mein Piercing nicht, wie behauptet, entfernt. Es war noch immer da.
KAPITEL 23
Meine Wahl
Ich wartete einige Stunden im Konferenzraum, dann kam Mr. Marty Rathbun endlich zurück. In seiner Begleitung waren zwei weibliche RTC -Abgeordnete, die von nun an als meine Guardians fungieren sollten. Die gute Nachricht war, dass ich nicht ins RPF geschickt wurde. Die schlechte, dass ich wohl auch nicht auf die Flag zurückdurfte. Stattdessen würde ich ein Programm absolvieren und anschließend der für Kirchenangebote zuständigen Abteilung in einer der beiden CMO s im Großraum L. A. überstellt werden. Die beiden Stützpunkte, die CMO PAC und die CMO IXU , lagen nur wenige Meilen voneinander entfernt.
Mr. Rathbun zufolge sollte ich bis auf Weiteres unbedingt zurückhaltend auftreten, wobei mir meine neuen Guardians behilflich sein würden. Er betonte zudem, dass ich weder die Situation mit meinen Eltern noch deren Ausscheiden mit irgendjemand anderem besprechen durfte. Besonders auf diesen Punkt legte er größten Wert.
Während er alle Einzelheiten schilderte, beschäftigte mich noch immer die einzige Sache, die mich an seinen Erklärungen wirklich interessierte. »Ich gehe also nicht auf die Flag zurück?«, fragte ich in der Hoffnung, ihn falsch verstanden zu haben. Bevor er überhaupt begriffen hatte, warum ich fragte, antwortete er in schroffem Ton: »Nein, bei allem, was da los ist, können wir uns ein solches Sicherheitsrisiko in der Flag Base nicht leisten.« Dann schien ihm bewusst zu werden, wie sehr mich seine Worte trafen. »Vergiss nicht, Jenna, es war deine Wahl«, fügte er ein wenig verärgert über meine Undankbarkeit hinzu.
Kraftlos sackte ich auf meinem Platz zusammen. Es mochte meine Wahl gewesen sein, aber nie hätte ich gedacht, dabei alles zu verlieren. Meine Eltern zu verlieren, war eine Sache. Unser Verhältnis war so stark vorbelastet, dass mich eine Trennung von ihnen nicht mehr überraschte. Aber meine Freunde und meine Verwandtschaft in Clearwater zu verlieren, traf mich vollkommen unvorbereitet. Ich hatte erwartet, wieder auf die Flag zurückgehen zu dürfen, zurück in mein altes Leben. Und jetzt, nichts dergleichen. Ich wurde zum Sicherheitsrisiko erklärt und erneut von all den Menschen getrennt, die mir etwas bedeuteten. Ich fühlte mich einmal mehr völlig allein auf der Welt.
Dennoch sagte ich, was ich um des höheren Wohls willen zu sagen hatte: »Ja, Sir.«
Er lächelte mich an, schüttelte mir die Hand und wünschte mir alles Gute. Dann folgte ich meinen neuen Guardians, Mr. Laura Rodriguez und Mr. Kara Hansen, nach draußen. Mr. Rodriguez kannte ich von der Flag und Mr. H sporadisch vom RTC , aber ich kannte keine von beiden wirklich gut. Wir waren kaum auf dem Parkplatz, da begann Mr. Rodriguez schon zu sticheln. »Satansbraten!«, rief sie. Ich sah sie verwirrt an. Auf der Flag war sie Justins Auditor gewesen. Sie hatte mir seinerzeit erklärt, er sei ein Rock Slammer, daher war sie mir sowieso schon unsympathisch. An ihrem Blick konnte ich erkennen, dass sie mich gemeint hatte und dass »Satansbraten« mein Spitzname unter den RTC -Abgeordneten gewesen sein musste. »Wir werden schon dafür sorgen, dass du verteufelt artig bleibst«, sagte sie grinsend, als sie mich abends an meiner Unterkunft absetzte. Nach allem, was an diesem Tag geschehen war, fand ich die Bemerkung nicht so lustig wie sie. Meine wenig amüsierte Reaktion schien sie als persönliche Beleidigung zu begreifen.
Am nächsten Morgen schlief ich noch, als sie in mein Zimmer platzte und schrie:
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