Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
fünfundvierzig Dollar Lohn in dieser Woche überhaupt erhalten hatten oder ob sie ihre Familien vermissten.
Das Celebrity Center mit seinem Blendwerk war für die Kirche von entscheidender Bedeutung, wenn es darum ging, Prominente zu erreichen und zum Eintritt zu gewinnen. Einfach gesagt, funktionierte es ähnlich wie an anderen Orten, wo Leuten Kurse und Auditing-Sitzungen angeboten wurden, es konzentrierte sich bloß als Zielgruppe allein auf Prominente. Dabei musste nicht jeder unbedingt schon berühmt sein, sie interessierten sich auch für aufstrebende Künstler oder Prominente, die in Vergessenheit geraten waren und ihre Karriere wieder in Schwung bringen wollten. In einer Vielzahl von Grundsätzen zum Umgang mit Prominenten wurde ausgeführt, wie wichtig sie für eine gute PR der Kirche waren.
Letzten Endes machten all diese Faktoren das Center zu einem der schlagkräftigsten Rekrutierungsmittel, über das die Church verfügte. Hier wurde Prominenten die Möglichkeit geboten, sich mit gleichgesinnten Scientologen zu treffen und ihren Glauben abseits der Öffentlichkeit auszuüben. Damit entsprach es dem Anspruchsdenken vieler Prominenter und deren Wunsch nach Exklusivität. Aus diesem Grund suchten selbst Nicht-Scientologen das Center gelegentlich auf. Als meine Mutter noch beim Aufbau des Celebrity Center mitgearbeitet hatte, war ihr etwa Brad Pitt begegnet, weil er sich mit Juliette Lewis treffen wollte. Und bei anderen Gelegenheiten hörte ich, dass Leute wie Bono und Colin Farrell an Empfängen teilgenommen hatten, obwohl sie selbst keine Scientologen waren.
Als ich mich sonntags mit Dallas und dessen Mom zum Brunch traf, war das Restaurant nur schwach besucht. Die Einrichtung war in üppigem Renaissancestil gehalten. Wir saßen an einem Tisch im Garten. Gail, die Mutter von Dallas, war klein, nett und hatte ständig ein Lächeln auf den Lippen. Es war unübersehbar, wie sehr Dallas und sie sich mochten. Mir gegenüber verhielt sie sich überaus freundlich, obwohl ich sehr schüchtern war und nur wenig sagte.
Irgendwann im Verlauf der Unterhaltung fragte sie mich nach meinem Nachnamen und erfuhr, dass ich die Nichte von David Miscavige war. »Dann werd ich gut aufpassen, nichts Falsches zu tun, wenn du in der Nähe bist«, meinte sie amüsiert.
In den nächsten Monaten wurde die Sache mit Dallas immer ernster. Ich lernte den Rest seiner Familie kennen, die genauso nett wie er und seine Mutter war. Dallas wurde schon bald mein engster Vertrauter. Er war mein fester Freund, was bedeutete, dass ich ihn eines Tages heiraten könnte. Sonntagvormittags kamen uns manchmal seine Eltern besuchen und behandelten mich dann immer wie ein Mitglied der Familie. Wenn ich niedergeschlagen war, holte Dallas mich aus dem Tief. Ich konnte mit ihm über alles sprechen, genau wie er mit mir.
Eines Abends machte Dallas mir auf der Feuertreppe einen Heiratsantrag. Wir waren zwar erst zwei Monate zusammen, aber in der Sea Org kam es relativ häufig zu solch raschen Verlobungen. Ich hatte also schon auf einen baldigen Antrag gehofft, aber gerade an diesem Tag hatte ich in keinster Weise mit etwas Außergewöhnlichem gerechnet.
In der neonlichterhellten Nacht von Los Angeles sank Dallas auf der alten, an der Hausrückwand festgeschraubten Eisenleiter auf die Knie und zog einen Ring hervor. Wie immer, wenn er aufgeregt war, geriet er ins Stottern und Stocken. Zuerst sagte er, dass er meinen Vater zuvor nicht hatte fragen können, da er nicht wusste, wo er war. Und dann fragte er mich, ob ich ihn heiraten wolle.
Jeder so wichtige Satz dieses Gesprächs wurde untermalt von einer plärrenden Hupe, einer Sirene, brüllenden Stimmen oder einem Einkaufswagen, den ein Obdachloser ratternd vor sich herschob. Dabei mussten wir bereits ständig die laute Musik übertönen, die aus dem Pig ’n’ Whistle-Restaurant im Nebengebäude schallte. Aber all das kümmerte mich nicht, mir fiel es nicht einmal mehr auf. Ich schrie nur »Ja!« vor unbändiger Freude. Endlich würde ich meine eigene Familie haben.
KAPITEL 26
Heimliche Verlobung
Als ich Mr. H erzählte, dass Dallas und ich uns verloben würden, wusste sie nicht, ob sie sich freuen oder besorgt sein sollte. Am nächsten Tag teilte sie mir mit, ich dürfe niemanden darüber informieren. In wessen Auftrag sie diese Anweisung an mich weiterleitete, blieb unklar, aber vermutlich steckten Onkel Dave, Tante Shelly oder Mr. Rathbun dahinter. Wohlgemerkt sagte Mr. H nicht, ich könne
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