Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
nicht heiraten, sondern nur, ich dürfe niemandem davon erzählen. Keine Ahnung, weshalb nicht, aber inzwischen war es sowieso zu spät. Wir hatten bereits mehr oder weniger jedem davon erzählt, auch all meinen Freunden auf der Flag.
Ich dachte nicht, dass meine Beziehung zu Dallas in irgendeiner Weise vom Schicksal vorbestimmt war. An dieses alberne Zeug glaubte ich nicht. Ich hatte bloß das Gefühl, dass niemand auf der Welt besser zu mir passte als er. Er war witzig, abenteuerlustig und unglaublich nett. Besonders gefiel mir seine ruhige, verständnisvolle Art. Bei einem Streit hörte er sich immer erst alle Seiten an und brachte jeder Meinung denselben Respekt entgegen. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, gab es für mich also doch ein Happy End, und ich würde an der Seite des Mannes leben können, den ich liebte. Mein Ring war einfach wunderschön, wofür auch Dallas’ Vater verantwortlich gewesen sein dürfte, der ja ein Juweliergeschäft führte. Der Ring war klassisch schlicht, mit zwei kleinen Brillanten, die einen großen einschlossen. Er stand für die Erfüllung all meiner Träume.
Ich war achtzehn und Dallas zweiundzwanzig. Aus mehreren Gründen heirateten die Leute in der Sea Org meistens schon sehr jung. Zum einen war es verboten, vor der Heirat Sex zu haben. Außerdem durften verheiratete Paare ein eigenes Zimmer für sich haben, während in den Räumen sonst bis zu sieben Mitbewohner untergebracht waren. Ich kannte einige, die bereits mit fünfzehn geheiratet hatten. Wer jünger als achtzehn war, musste dafür jedoch nach Las Vegas gehen, da Minderjährige in Kalifornien von Gesetz wegen erst ein psychologisches Gutachten einholen mussten.
So wie es aussah, würden Dallas und ich aufgrund der Flag-Vorschriften keine Kinder haben können. Allerdings war Dallas der Meinung, die bestehende Regel in der Sea Org würde sich irgendwann wieder einmal ändern und das Verbot von Kindern aufgehoben werden. Ich hielt das eher für unwahrscheinlich, aber mir genügte es im Moment auch völlig, mit Dallas zusammen zu sein und ein Teil seiner Familie zu werden.
Weihnachten kam, und alle hatten einen Tag frei. Blöd war nur, dass Dallas zu seiner Familie in San Diego fuhr und ich ihn nicht begleiten durfte. Also ging ich mit den anderen ins Restaurant und anschließend ins Kino. Von meinen Eltern lagen ein paar Geschenke für mich in der Post: ein Kuscheltier, eine Armbanduhr und einige Bücher, über die ich mich besonders freute. Damals wusste ich nicht, dass mein Onkel als Zeichen des guten Willens an meine Eltern alle Einschränkungen hinsichtlich der Kommunikation zu mir aufgehoben hatte. Wahrscheinlich versuchte er, sie auf diese Weise zufriedenzustellen, damit der Church keine Verurteilung drohte, sollten sie sich doch zu einer Klage entschließen. Dennoch war es das erste Mal, dass ich nach unserer Begegnung etwas von ihnen hörte.
Ein oder zwei Wochen nach der Anweisung von Mr. H, meine Verlobung nicht bekannt zu geben, wurde ich in das Büro von Mr. Rathbun im zwölften Stock gebeten. Er sagte, er habe von meiner geplanten Hochzeit erfahren und sei froh, mich so glücklich zu sehen. Allerdings müsse er mir raten, mit der Hochzeit und der Bekanntgabe der Verlobung noch ein wenig zu warten, da es den Anschein habe, dass jemand aus Dallas’ Familie, genauer gesagt, sein Onkel Larry, in Verdacht stand, verschiedene Anti-Scientology-Websites zu besuchen. Wie er mir erklärte, könne es die Kirche derzeit am wenigsten brauchen, wenn der mögliche PTS Larry meine Eltern kennenlernen würde, deren Status zwischen offiziellen SP s und irgendeiner Sonderform von SP zu schwanken schien. Befürchtet wurde offenbar, dass Larry, Mom und Dad gemeinsam versuchen könnten, die Church zu zerstören.
Ich hielt solche Befürchtungen zwar für unbegründet, doch Mr. Rathbun sah darin anscheinend eine echte Bedrohung. Da ich nur mit wenigen Wochen rechnete, fand ich die Verzögerung verschmerzbar. Zudem war Mr. Rathbun mir gegenüber extrem freundlich, und ich wollte ihm die Sache nach Möglichkeit gerne erleichtern.
Auch wenn Onkel Larry uns erst einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, träumte ich weiter mit Vorliebe davon, wie mein großer Tag aussehen würde. Ob ich mir die Dinge, von denen ich träumte, überhaupt jemals würde leisten können, war eine andere Frage. Ich hatte keinen Vater, der für meine Hochzeit bezahlte, was mich jedoch nicht davon abhielt, gelegentlich in
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