Mein Geheimnis bist du
betrachtete immer noch ungläubig die Rolle Klebeband. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Andrea sich ihre Worte so sehr zu Herzen nehmen würde. Dieses »Geschenk« kam absolut überraschend. »Danke.« Die Verwirrung stand Mareike deutlich ins Gesicht geschrieben. Dann breitete sich darauf ein Lächeln aus. »Ich hoffe, mein Geschick beim Reparieren reicht soweit, dass ich Erfolg habe, bevor meine letzte Sprosse kracht.«
Mareike ging. Andrea sah ihr nach, bis sich die Tür hinter ihr schloss. Würden die Unstimmigkeiten zwischen ihnen mit einer Rolle Klebeband auszuräumen sein?, fragte sie sich. So einfach konnte das nicht sein. Oder etwa doch?
Mareike kam wirklich am nächsten Tag zum Feierabend in Andreas Büro. Sie machte keine großen Worte, ging zu Andrea, nahm ihr einfach den Kugelschreiber aus der Hand, drückte deren Rücken in die Lehne des Sessels und legte die Hände auf Andreas Schultern.
Andrea atmete tief durch und entspannte sich. Mareikes Finger begannen mit der Massage, zogen langsam und fest ihre Kreise.
»Wird das eine regelmäßige Zuwendung?« Andrea bewegte den Kopf leicht nach rechts und links. »Ich hätte nichts dagegen.«
»Sie meinen, ich als persönliche Physiotherapeutin Ihres verspannten Nackens?«
»Ja, warum nicht?«
»Na ja, ich finde das irgendwie widersprüchlich. Sie lassen sich von mir den Nacken massieren, gern öfter. Aber Sie wollen nicht mit mir essen gehen. Weil ich Sie – wie war das? – verunsichere. Erklären Sie mir das?«
»Da muss ich passen.«
»Wieder so eine Die-Frau,-das-rätselhafte-Wesen -Nummer.« Mareikes Finger wanderten Andreas Hals hoch, an den Ohren entlang und weiter zu ihren Schläfen. Andrea seufzte wohlig. »Wieder?«
»Ja, Sie machen so was öfter. Ich meine, es ist nicht so schlimm, langsam gewöhne ich mich daran. Aber ich stelle mir das unheimlich schwierig vor, wenn Sie mal eine Frau kennenlernen, die sich in sie verliebt. Die Arme weiß bei Ihnen nie, woran sie ist.«
»Na, das ist ja nicht Ihre Sorge.«
»Nein, aber es könnte doch sein, dass wir beide noch Freundinnen werden, und dann fragt diese arme Frau mich vielleicht was über Sie. Wie Sie denken und so. Und deshalb interessiert es mich schon irgendwie . . .«
Andrea drehte sich um. »Wir und Freundinnen?«
Mareike hielt kurz mit der Massage inne. »Warum nicht?«
»Nehmen Sie Drogen?« Andrea drehte ihren Kopf zurück.
Mareike setzte die Massage fort. »Keine schweren.«
»Sie sollten die Finger auch von den leichten lassen.«
Mareike lachte verhalten. »Was ist so unvorstellbar daran, dass wir beide Freundinnen werden? Was?«
»Schon vergessen? Es ist noch nicht besonders lange her, da sagten Sie mir, ich sei eine griesgrämige, ewig grollende Miesepeterin.«
»Das habe ich nie gesagt.«
»Dem Sinn nach schon.«
»Mein Gott, sind Sie nachtragend. Ich wollte Sie doch nur mal aus der Reserve locken. Und das hat ja auch geklappt. Immerhin bin ich in den Besitz einer Rolle Klebeband gekommen.« Mareike beendete die Massage, drehte Andrea samt Sessel zu sich. »Das fand ich übrigens sehr nett.«
»Ach ja?«
»Das wissen Sie doch.«
Andrea lächelte. »Sie sind auch sehr eifrig beim Reparieren der Leitersprossen.«
»Nur eifrig?«
»Mit ersten kleinen Erfolgen.« Andrea hob die Hand und zeigte mit Daumen und Zeigefinger einen Abstand von etwa einem Zentimeter. »So viel vielleicht.«
Ein Zucken spielte um Mareikes Mundwinkel. »Nun ja, immerhin ein Anfang.«
Es klopfte an der Bürotür und Saskia schob den Kopf herein. »Bist du fertig?« Sie sah von Andrea zu Mareike. »Hallo.«
»Hallo«, grüßte Mareike zurück.
»Fertig? Wieso?«, fragte Andrea.
»Hast du es vergessen?« In Saskias Stimme schwang deutlicher Vorwurf.
»Was vergessen?«
»Den Kühlschrank, den ich auf eBay ersteigert habe. Du wolltest mir helfen, ihn abzuholen.«
»Das war heute?«
»Ja.«
Mareike zwinkerte Andrea zu. »Na ja, wir waren ja auch fertig. Wir sehen uns dann morgen?«
Andrea, so plötzlich aus der Unterhaltung mit Mareike gerissen, tat sich schwer mit der Umstellung. Eben noch leichtes Geplänkel, nun Aussicht auf Lastenschleppen. Wenn sie ehrlich war, wünschte sie Saskia gerade an einen Ort, von dem die Rückkehr sehr lange dauerte. »Äh, ja . . . bis morgen«, stotterte sie in Mareikes Richtung.
Mareike verließ das Büro. Kaum hatte sie die Tür hinter sich zugezogen, platzte Saskia heraus: »Läuft da was zwischen euch?«
»Nein!!!«, rief Andrea
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