Mein Geheimnis bist du
noch verdauen, was Sie mir gerade während einer Tasse Kaffee sagten. Ich fürchte, für ein ganzes Essen bin ich noch nicht bereit.«
Mareike presste die Lippen zusammen, nickte dann. Plötzlich hob sie die Hand, legte den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete Andrea, nichts zu sagen. Mareike lauschte.
»Was war das?«, fragte sie. »Haben Sie es auch gehört?«
Andrea schüttelte den Kopf, lauschte nun aber ebenfalls.
»Was?«, fragte sie nach einigen Sekunden bewegungslosen Verharrens.
»Klack«, sagte Mareike trocken. »Ich glaube, da ist irgendwo die Stufe einer Leiter gebrochen.«
Andrea drehte sich schweigend um und ging zum Wagen.
»Sturkopf«, rief Mareike ihr nach.
9.
A ndrea stützte den Kopf in die Hände und schaute auf das Papierchaos vor sich. Bei Grimm gab es keine Leichen im Keller, konstatierte sie zum wiederholten Mal. Oder er hatte sie wirklich tief vergraben.
Dass sich die Tür öffnete, merkte Andrea nicht. Erst als Mareike vor ihr stand und sich räusperte, registrierte Andrea sie und blickte erschrocken auf.
»Noch bei der Arbeit?« Mareike schaute erst auf Andrea, dann auf das Chaos vor ihr. »Überflüssige Frage«, stellte sie fest, kam um den Schreibtisch herum, schaute über Andreas Schulter hinweg auf die Papiere. Jetzt griff sie nach einer der Seiten. »IP-Verbindungsprotokolle?«
»Ja. Aber alle Kontakte lassen sich uns bekannten Kunden von Grimm zuordnen. Auch die wenigen amerikanischen. Durchweg Transaktionen, über die man uns informiert hat.«
»Na wunderbar, also können wir für die Fusion grünes Licht geben«, folgerte Mareike.
»Tja, sieht so aus.«
»Sehr schön.« Mareike nickte zufrieden. »Dann mache ich einen Termin mit der Rechtsabteilung wegen des Vertragsentwurfs. Immerhin sind seit unserem Besuch bei Grimm drei Wochen vergangen. Grimm drängelt schon ein wenig. Und Brennicke auch.« Mareike legte den Ausdruck mit den Protokollen wieder zurück auf Andreas Schreibtisch. Immer noch stand sie hinter Andrea. »Sie sollten einen Tag freinehmen«, sagte sie. »Sie müssen auch mal entspannen.«
»Wenn ich einen Tag freinehme, habe ich hinterher umso mehr zu tun. Der Gedanke daran würde jede Entspannung zunichtemachen.«
»Ja, das Dilemma ist mir nicht ganz unbekannt.«
Andrea schloss die Augen, atmete tief durch. Erschöpft legte sie ihren Kopf in den Nacken und stöhnte matt: »Wenn das so weitergeht, reicht Entspannung nicht mehr aus. Dann brauche ich irgendwann eine Wiederbelebung.«
»Nicht erschrecken«, sagte Mareike in ihrem Rücken.
Andrea wunderte sich noch, was sie wohl meinte, da fühlte sie, wie Mareikes Hände ihren Kopf vorsichtig nach vorn drückten, sich in ihren Nacken schoben und ihn zu massieren begannen.
Die plötzliche Berührung verursachte ein Kribbeln auf Andreas Haut. Nicht nur im Nacken, wo Mareike sie berührte. Es breitete sich mit rasender Geschwindigkeit überall aus und lähmte Andrea. Unfähig zu einer Bewegung saß sie da, während Mareikes Finger ihren Nacken kneteten.
Andreas Befangenheit blieb Mareike nicht verborgen, doch sie rechnete es der arbeitsbedingten Anspannung zu. »Sie müssen schon ein wenig locker lassen, wenn Sie was von der Massage haben wollen.«
Andrea versuchte es. Und tatsächlich, allmählich überwog der wohltuende Genuss der Massage. Sie überließ sich dem sanften Druck, der ihre angespannten Muskeln löste.
»Wie ist das?«, fragte Mareikes nach einer Weile, ihre leise Stimme dicht neben Andreas Ohr.
»Hmmm«, machte Andrea.
Mareike breitete die Massage schließlich auf Andreas Schulterblätter aus, was diese mit einem dankbaren Seufzer und den Worten: »Sie sind meine Heldin des Tages« quittierte.
Mareike schmunzelte vor sich hin. »Wer hätte das jemals gedacht.«
Nach einer für Andreas Dafürhalten viel zu kurzen Weile hörte Mareike mit der Massage auf, ging zurück um den Schreibtisch und stand nun wieder vor Andrea, die etwas enttäuscht dreinblickte.
»Ich kann morgen zum Feierabend ja wieder vorbeischauen«, bot Mareike augenzwinkernd an. »Jetzt muss ich leider los.«
»Moment noch«, hielt Andrea sie zurück.
Mareike blieb stehen. Andrea zog die mittlere Schreibtischschublade auf, nahm etwas heraus und reichte es Mareike. »Ich wollte Ihnen schon die ganzen letzten Tage etwas geben.«
Perplex schaute Mareike auf die Rolle braunen Paketklebebands.
»Es war das Stabilste, was ich im Baumarkt finden konnte.« Andrea zuckte verlegen mit den Schultern.
Mareike
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