Mein Geheimnis bist du
kannst ihr ja nicht ewig ausweichen , sagte sie sich dann. Leise seufzte sie. »Jetzt bist du schon mal hier.«
Irrte sie sich, oder atmete Mareike erleichtert auf? Es schien Andrea, als hätte sich Mareikes Haltung etwas entspannt.
Andrea nahm ihre Tasche.
»Darf ich?«, fragte Mareike mit Blick auf Andreas Tasche.
»Geht schon«, meinte Andrea. »Ist ja die gesunde Hand, mit der ich sie trage.«
»Aber wie sieht das denn aus? Der eine Arm in der Trageschlaufe, in der anderen Hand die schwere Tasche, und ich trage die Autoschlüssel?«
Andrea gab nach, hielt ihr wortlos die Tasche hin. Mareike nahm sie.
Sie gingen zum Fahrstuhl und fuhren nach unten. Vorbei an sich suchend umblickenden Menschen und eilendem Krankenhauspersonal, steuerten sie dem Ausgang des Krankenhausgebäudes zu.
»Wie lange musst du den Arm noch ruhig halten?«, erkundigte sich Mareike.
»Eine Woche.«
»Wie willst du das denn im Büro machen?«
Andrea zuckte gelassen mit den Schultern. »Schreiben ist schlecht, aber am PC wird es schon gehen. Ich tippe eben mit links. Und Telefonieren geht auch mit nur einer Hand. Ist doch kein Problem.«
Sie traten ins Freie.
»Wo steht denn dein Wagen?«
Mareike deutete nach links. Andrea folgte der angegebenen Richtung. Sie liefen schweigend nebeneinander her. Am Wagen angelangt, bediente Mareike die Fernbedienung der Zentralverriegelung, legte Andreas Tasche in den Kofferraum, stieg ein und wartete, bis Andrea sich angeschnallt hatte.
Sie waren fahrbereit. Doch Mareike machte keine Anstalten, den Motor zu starten und loszufahren.
»Ich habe gelogen«, sagte Mareike jetzt. Sie sah Andrea dabei nicht an. »Saskia wollte dich abholen, aber ich habe sie gebeten, mir das zu überlassen.«
Mareike wartete auf eine Reaktion Andreas. Als diese ausblieb, schaute sie Andrea fragend an. »Hast du gehört?«
Andrea drehte den Kopf, schaute Mareike offen an. »Ja. Und? Was erwartest du?«
»Ich . . . nichts.« Nun drehte Mareike den Zündschlüssel, ließ den Motor an. Der Wagen setzte sich in Bewegung.
Die Fahrt verlief schweigend.
Andrea fühlte sich unsicher. Sie fürchtete, Mareike könnte bemerkt haben, wie es in ihr aussah.
Was heißt könnte, Andrea? Du hast dich während des Kusses ja nicht gerade zurückgehalten. Sie hat es ganz sicher bemerkt. Und sie wird dich danach fragen.
Andererseits, sagte Andrea sich, war es immerhin Mareike gewesen, die sie geküsst hatte. Es stand Mareike also gar nicht zu, zu fragen, sondern sie musste eher etwas erklären. Doch war Andrea sich nicht sicher, ob sie diese Erklärung überhaupt hören wollte. Bereits Mareikes erster Versuch endete in einem Desaster. Als Fehler bezeichnet zu werden, empfand Andrea als sehr demütigend.
Mareike bog in Andreas Straße ein und parkte den Wagen vor ihrem Haus. »Da sind wir.«
Sie stiegen aus. Mareike begleitete Andrea zur Haustür. Dort wollte Andrea ihr die Tasche abnehmen. Mareike legte jedoch einfach ihre Hand in Andreas Rücken und schob sie durch die Tür. Sie stiegen die Treppe zu Andreas Wohnung hinauf, Andrea schloss auf.
»Danke«, sagte sie auf der Türschwelle.
»Zehn Minuten«, bat Mareike. »Wir müssen reden.«
Andrea seufzte, betrat den Flur. Mareike folgte ihr.
»Kaffee?«, fragte Andrea und ging in die Küche. Wenn sie sich schon einem Gespräch stellen musste, dann nicht ohne einen ordentlichen Koffeinschub. Den hatte sie im Krankenhaus vermisst. Der Kaffee dort war sehr gewöhnungsbedürftig.
Mareike lehnte sich an den Türrahmen der Küche. Sie beobachtete Andreas Bewegungen, die etwas unbeholfen wirkten, weil sie alles mit der linken Hand erledigte. Schließlich trat sie hinter Andrea, legte ihre Hand auf deren Schulter.
»Ich mach das schon«, sagte sie und schob Andrea sanft zur Seite. Andrea gab ihr den kleinen Maßbecher. Mareike löffelte Kaffee in die Filtertüte. Dreimal, viermal, fünfmal . . .
»Ist gut«, rief Andrea und griff Mareike am Arm. »Wie stark trinkst du denn deinen Kaffee?«
Mareike blinzelte Andrea verwirrt an. Andrea schüttelte den Kopf. Eine große Hilfe war Mareike nicht. Sie nahm lieber selbst die Kanne, um Wasser in den Behälter zu gießen. Dann schaltete sie die Kaffeemaschine an. Mareike stand schweigend daneben.
Während sie warteten, dass das Wasser durchlief, sahen sie einander verstohlen an. Langsam breitete sich Kaffeeduft in der Küche aus.
Andrea holte zwei Tassen aus dem Schrank, goss den fertigen Kaffee ein und setzte die Kanne zurück auf
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