Mein Geliebter aus den Highlands
sie behauptet hätte, die Gabe der Hellsichtigkeit zu haben, wäre ihm das ziemlich unheimlich gewesen.
»Das war ein sehr klarer Traum«, sagte er nun. »Wenn ich ehrlich sein soll, würde ich es eher als Vision bezeichnen.« Als sie erblasste und ihn wachsam musterte, wurde ihm klar, dass er mit seiner Vermutung richtig lag.
»Nay, es war nur ein böser Traum.«
»Ach, Mädchen, du bist eine schlechte Lügnerin. Ich weiß so einiges über die Murrays und auch über die Gaben, mit denen viele von euch gesegnet sind. Du brauchst keine Angst zu haben, es mir zu sagen.«
»Nay, ich habe keine Gaben. Keira hat eine. Sie hat heilende Hände. Ich stehe ihr nur sehr nahe.«
»Aye, so sieht es aus. Und ein solcher böser Traum hat dich auch veranlasst, deinen Brüdern zu folgen, nicht wahr?«
Alana seufzte und schloss kurz die Augen. Ihr war klar, dass Gregor ihre Ausflüchte nicht hinnehmen würde. Sie hatte zu freimütig über ihren Traum geredet. Nun konnte sie ihre Worte nicht mehr zurücknehmen. Vielleicht hatte ja Gillyanne von den vielen Gaben erzählt, die es in ihrem Klan gab, auch wenn den Murrays eine solche Offenheit nicht recht war. Zu oft stießen sie nämlich damit bei anderen auf gefährlichen Aberglauben. Alana hatte zwar bislang nicht bemerkt, dass Gregor abergläubisch war, aber sie spürte sein Misstrauen. Doch das konnte sie ihm verzeihen. Auch ihr selbst waren solche Dinge nicht ganz geheuer.
Sie nickte und gestand ihm die Wahrheit. »Aye, so war es.« Alana war sich nicht sicher, warum er ihr so ein schönes Lächeln schenkte. »Es hat mich nicht gewundert, als wir erfuhren, dass Keira vielleicht verletzt ist und sich verkrochen hat. Ich hatte es in einem Traum gesehen. Allerdings wirkte der Unhold in meinem ersten Traum nur brutal und eingebildet.«
»Und diesmal?«
»Diesmal habe ich auch eine Art Verzweiflung in ihm wahrgenommen. Eine Art Wut darüber, sich geschlagen geben zu müssen. Kannst du das verstehen?«
»Aye. Manchmal macht einen eine Niederlage sehr zornig.«
Gregor merkte, dass sein Unbehagen schwand. Jetzt war er richtig fasziniert. Alana behauptete zwar nach wie vor, es sei nur ein Traum gewesen, doch im Grunde wussten sie beide, dass es eine Vision gewesen war. Es freute ihn, dass sie ihm offenbar vertraute. Wenn sie solch ein gefährliches Geheimnis preisgab, glaubte sie nicht, dass er vor ihr zurückscheuen oder sie verraten würde.
»In diesem Traum kam auch der andere Mann nicht mehr vor«, sagte sie.
»Welcher andere Mann?«
»Der schöne Mann, der ebenfalls verwundet war. In meinem ersten Traum habe ich gesehen, dass Keira verletzt wurde. Aber ich hatte noch einen weiteren Traum. Darin war der schöne Mann verletzt, und Keira hat sich um ihn gekümmert. Sie haben gemeinsam Spaziergänge unternommen.« Alana runzelte die Stirn, weil ihr noch nicht klar war, was das zu bedeuten hatte.
Es wurmte Gregor, dass sie diesen anderen Mann ständig als schön bezeichnete. »Wie hat der Mann denn ausgesehen?«
»Ausgesprochen schön.« Da Gregor aussah, als wolle er sich mit dieser vagen Beschreibung nicht zufriedengeben, versuchte Alana, sich genauer zu erinnern. »Er hat kupferrotes Haar, blaugrüne Augen und sehr klar geschnittene, ebenmäßige Gesichtszüge. Er ist groß, sehnig, anmutig und stark.« Sie zuckte die Schultern. »Schön eben. Seltsamerweise schien es Keira zu ärgern.«
Auch Gregor ärgerte es. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass ein solcher Mann durch Alanas Träume wanderte, selbst wenn er nur ihre Schwester begleitete. Plötzlich musste er sich ein Lachen verbeißen. Er war eifersüchtig auf einen Mann in Alanas Träumen! Doch gleich darauf runzelte er die Stirn und beschloss, dass das überhaupt nicht lustig war. Er hatte noch nie unter Eifersucht gelitten, warum also jetzt? Seine Beziehung zu Alana verkomplizierte sich mit rasender Geschwindigkeit, und sie schien davon gar nichts zu bemerken. Eifersucht war demütigend für einen Mann, der ohne allzu große Mühen fast jede Frau bekommen konnte, nach der ihn gelüstete.
»Du siehst die Dinge in deinen Träumen wirklich sehr klar, Mädchen«, sagte er. »Ich glaube wirklich, das sind eher Visionen. Hast du so etwas oft?«
»Nay, nur wenn es um Keira geht. Deshalb erachte ich es auch nicht als richtige Gabe. Ich glaube, es kommt nur daher, weil ich Keiras Zwillingsschwester bin. Schließlich sind wir gemeinsam im Mutterleib herangewachsen. Auch Keira hat Visionen über mich. Wir wussten immer,
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