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Mein glaeserner Bauch

Mein glaeserner Bauch

Titel: Mein glaeserner Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Hey
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Platz für die Trauer der Angehörigen. Mit einem Datum der Verbrennung und dem Namensschild der Klinik, in der diese Kinder tot zur Welt kamen.

    Am 1. Februar 2010 trat, wie schon erwähnt, das sogenannte Gendiagnostikgesetz in Kraft. Fast ein Jahrzehnt lang war über die gesetzlichen Regelungen und Vorschriften für die Biomedizin beraten und gestritten worden. Eine »Konsenssuche in einer leidenschaftlich ausgetragenen ethischen Kontroverse« so Margot von Renesse, Vorsitzende der Enquetekommission Recht und Ethik der modernen Medizin, in einem Bericht an den Deutschen Bundestag im Jahre 2002. Im August 2009 wurde das Gesetz schließlich verabschiedet.
    Zweck dieses Gesetzes ist es, die Voraussetzungen für genetische Untersuchungen und im Rahmen genetischer Untersuchungen durchgeführte genetische Analysen sowie die Verwendung genetischer Proben und Daten zu bestimmen und eine Benachteiligung aufgrund genetischer Eigenschaften zu verhindern, um insbesondere die staatliche Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren. 122
    Auch für die Biotechnologie und die moderne Medizin sind also die Würde des Menschen und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbindlich. So steht es ausdrücklich in Paragraph 1 des Gendiagnostikgesetzes. Das ist durchaus nicht selbstverständlich, denn der Begriff der Würde des Menschen und eines damit verbundenen sittlichen Anspruchs wird von einigen Bioethikerinnen und Bioethikern explizit zurückgewiesen, und zwar mit der Begründung, dass sie auf weltanschaulichen Überzeugungen beruhen, für die es in einer säkularisierten Gesellschaft keine Voraussetzungen mehr gebe. 123
    Jetzt haben wird also das Gendiagnostikgesetz und man könnte nun meinen, mit der vom Gesetzgeber gestärkten Autonomie der Patienten und der Verpflichtung zu verbesserter Patientenaufklärung sei alles anders und besser geworden für die Betroffenen. Für schwangere Frauen zum Beispiel. Denn gerade auch für sie wurde dieses Gesetz gemacht.
    Sieht man sich allerdings die praktische Umsetzung an, sind Zweifel berechtigt. Das wird deutlich, wenn man die vom Gesetzgeber eigens geforderte Beratung in den Blick nimmt, die Schwangere vor jeglicher Inanspruchnahme von pränataler Diagnostik vom durchführenden Frauenarzt erwarten dürfen. Diese Beratung ist ausdrücklich schon vor der sogenannten vorgeburtlichen Risikoabklärung durch Bluttests und Nackenfaltenmessung vorgesehen, dem Ersttrimester-Screening, das inzwischen allen Schwangeren angeboten wird. Auch nach dem OSCAR -Prinzip.
    Das Gesetz bestimmt, dass die Frau über Wesen, Bedeutung und Tragweite der vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen aufgeklärt wird sowie über ihr Recht auf Nichtwissen und die Möglichkeit, ihre Einwilligung zu einer solchen Untersuchung jederzeit zu widerrufen. Die Beratung soll die Schwangere mit sachgerechten Informationen und ohne Bevormundung gezielt dabei unterstützen, ihr Selbstbestimmungsrecht wahrzunehmen, also eine freie und informierte Entscheidung über die Annahme oder die Ablehnung eines Testangebotes zu treffen. Ergänzend heißt es im Gesetzestext: »Der betroffenen Person ist nach der Aufklärung eine angemessene Bedenkzeit bis zur Entscheidung über die Einwilligung einzuräumen.« 124
    Besonders wichtig: Nur diejenigen Ärzte und Ärztinnen, die sich speziell für diese fachgebundene genetische Beratung qualifiziert haben, dürfen – nach einer Übergangsfrist, die am 1. Februar 2012 auslief – die Beratung vornehmen. Um die Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Ärzte zur genetischen Beratung sowie die konkreten Inhalte der Beratung zu erarbeiten, wurde extra eine Gendiagnostikkommission eingerichtet, deren Arbeitsergebnisse seit dem 11. Juli 2011 als Richtlinie vorliegen.
    Im Vorfeld führte diese neue Gesetzeslage zu großer Aufregung unter Gynäkologen, vor allem weil spätestens seit Verabschiedung des Gendiagnostikgesetzes im Sommer 2009 klar war, dass die Häufigkeit der genetischen Beratungen deutlich ansteigen musste, wenn Frauenärzte Schwangere zu nicht-invasiven Suchtests veranlassen und sich dabei gesetzeskonform verhalten wollen. Frühere Empfehlungen hatten wenig genützt, jetzt gab es ein Gesetz mit empfindlichen Strafregelungen. Eine schnelle Unterschrift der Schwangeren unter ihre Zustimmung zum Ersttrimester-Screening inklusive Nackenfaltenmessung würde mit Inkrafttreten des Gesetzes ab

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