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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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aus seiner Apostasie von Dada einen unbedingten Glauben an Kreativität gemacht hatte, erfuhr ich, als ich ihn im Januar 1966 in seiner Kunstschule an den Hängen des Karmelgebirges bei Haifa besuchte. Alles Revolutionäre und Libertäre der Frühzeit war verlorengegangen. Er pochte in einem fort auf seine bedeutende historische Rolle für Dada-Zürich in der Spiegelgasse.
    Für Max Ernst dagegen kam so etwas wie ein Anspruch auf Dauer des dadaistischen Aufruhrs überhaupt nicht in Frage. Er zeigte sich irritiert von der Präsenz mancher Ausstellungsstücke und fragte »Was sollen Sonia Delaunays Kostüme für ›Le Cœur à gaz‹ von Tristan Tzara?«, und setzte hinzu: »Natürlich, wo war sie nicht dabei!« Dass Sonja Delaunay und Max Ernst nicht gerade die besten Freunde waren, erfuhr ich bei meinen Besuchen bei Sonja, die im obersten Stock von 16, rue Saint Simon, im Haus neben dem Pariser Lieblingshotel von Lauren Bacall, lebte. Die meisten Künstler, die in dieser Ausstellung posthum zu Ehren gelangten, seien doch eher zufällig am Tatort Zürich oder in New York, Berlin, Köln und Paris gewesen. Die Erwartung, dass Dada eine wichtige kulturelle Rolle spielen könnte, hätte in jeder Hinsicht seiner Vorstellung widersprochen. Nur Anarchie vermochte am Rande des Krieges etwas Unerwartetes und Neues hervorzubringen. Er meint: »Selbst Picabias Maschinenbilder, die früher ein verständlicher Protest gegen den Maschinenoptimismus waren, sind gefällige, konstruktivistische Arbeiten geworden – ein bisschen romantisch, ein bisschen naiv in ihrer Faszination durch die gefährliche Maschinenwelt.« Doch Janco ist von diesen Maschinerien Picabias so fasziniert, dass er voller Bewunderung ausruft: »Dieser Picabia muss ein Ingenieur gewesen sein!« Worauf Max Ernst lachend antwortet: »Aber nein, im Gegenteil, er war der Antiingenieur par excellence. Was er entwarf, sollte doch um Himmels willen nicht funktionieren. Er sabotierte, wo er nur konnte, den Nutzwert der Maschinenwelt.« Nur heute funktioniere Picabias Ironie zwischen den dicken Goldrahmen wie ein Kandinsky oder ein Malewitsch.
    Max Ernst selbst wollte keinesfalls in die Rolle der wichtigen, historischen Person schlüpfen. Aus diesem Grunde war für ihn der Besuch der Ausstellung, in der er sich und seine eigenen Zweifel, seinen Aufruhr nicht wiederfand, irgendwie peinlich. Er kritisierte auch die Auswahl seiner Arbeiten, die seinen eigenen Beitrag betraf. Das meiste gehöre bereits zum Geist des Surrealismus. Niemand könne, meinte er, im Übrigen das rekonstruieren, was Dada über eine kurze und genau abgemessene Zeit sein wollte und sein konnte. Beim Gang durch die Säle im Musée d’Art Moderne an der Avenue Georges Wilson verglich Max Ernst die Wirkung, die Dada hervorrufen wollte, mit der Explosion einer Bombe. Und eine Explosion ließe sich auf keinen Fall ausstellen. Die Splitter, die man hier zusammengelesen hätte, würden nichts über den Aufruhr aussagen, der ihn und seine Freunde gleichzeitig auf unerklärbare Weise gepackt hatte. Die »Werke«, die im Zeichen Dadas entstanden seien, besäßen keine Autonomie, sie erhielten ihren Sinn nur im geschichtlichen Zusammenhang: »Sie sind Reflexe, und zwar Reflexe eines überaus mobilen Organismus. Das Dada-Pferdchen schlug aus, und die Hiebe saßen zumeist.« Es darf deshalb nicht verwundern, dass wir in den Collagen von Max Ernst regelmäßig diesem Pferdchen begegnen, das in den Bildern der späten zwanziger Jahre zum Ausdruck von Revolte und Unbezähmbarkeit werden sollte. Das war für mich eine unvergessliche Lehrstunde souveräner Bescheidenheit. Wer sonst war dazu bereit, das eigene Werk derart zu relativieren? Ionesco, der unruhige und unzufriedene Skeptiker, war aus diesem Grunde ein Geist ganz nach Max Ernsts Geschmack. Nicht nur die frühen Einakter, auch das abendfüllende Rhinocéros , das auf beängstigend anschauliche Weise das Entstehen von Hysterie vorzuführen vermochte, hatten ihn nach der Rückkehr aus dem amerikanischen Exil bewegt. Er widmete dem Dichter eine Zeichnung, die das anstürmende, gefährliche Nashorn zeigt. Denn das tobende Monstrum war für Max Ernst mehr als ein vages allegorisches Wesen. Es hatte mit der Auffassung von der blinden Gewalt in der jüngsten Geschichte zu tun, die er in dem ungeheuerlichen Bild »L’ange du foyer« 1937 gegen den Terror Francos und gegen Hitler zum Ausdruck gebracht hatte. Das Gemälde sei, wie er mir sagte, seine explizite Reaktion

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