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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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unentwegt zusammen, diskutierten und besuchten auch gemeinsam, mit weißen Handschuhen ausgestattet, den berühmten Tanzkurs Elmayer in der Bräunerstraße neben dem Josefsplatz. Willy Elmayer terrorisierte uns beim Linkswalzer mit kurz angebundenen, militärischen Anweisungen, die immer wieder brutal die Begleitung des Manns am Klavier unterbrachen. In Wien gab es niemanden, der etwas auf sich hielt und nicht durch diese Schule gegangen wäre. Nur sie erlaubte es einem später, als Debütant am Opernball teilzunehmen. Wir mussten zunächst einmal Etikette studieren, lernen, einer Dame die Tür so zu öffnen, dass abwechselnd die rechte und die linke Hand die Klinke fasste, der Körper sich um hundertachtzig Grad drehte und die Partnerin auf diese Weise nie den Rücken ihres Kavaliers zu sehen bekam. Aufforderung zum Tanz, Handkuss, Haltung und Verhalten bei der Damenwahl, mit alldem machten uns Elmayer und seine Assistentinnen vertraut. Zu allem Überfluss hatte der steife Lehrer nicht nur ein Holzbein, sondern auch ein Glasauge. Das führte dazu, dass er zumeist in dem Moment, wo sich das Opfer unbeobachtet fühlte, diesem einen scharfen, vernichtenden Blick zuwarf oder es mit »Sie Trottel« anschrie. Einmal, etwas später, traf ich ihn wieder mit einer Frau, die ich aus den Unterrichtsstunden kannte, im Nachtzug nach Frankreich. Er war, wie er mir erklärte, mit der Schülerin beruflich unterwegs, um in Paris die neuesten Tänze zu studieren. Ich habe nicht gesehen, auf welche Art er der jungen Dame die Tür zum Schlafwagen öffnete.
    Fast jeden Abend ging es in Wien in die Oper, ins Theater oder ins Konzert. Ein Freund aus der Stuttgarter Gegend, Walter Spieth, gab dieser Zeit eine pikareske Note. Er sorgte nicht zuletzt dafür, dass wir für manche Aufführungen nicht zu zahlen hatten. Wallo, so nannten wir ihn, hatte im Wiener Konzerthaus eine Loge erspäht, in der offensichtlich nie jemand saß. Er bestach den Saaldiener und lud uns dann auf wahrhaft grandiose Weise zu sich ein. Dies ging gut bis zu dem Tag, da sich kurz nach Beginn der Aufführung die Flügeltür unserer Loge öffnete und ein großer, stattlicher Mann eintrat, der uns vom eilfertigen Saaldiener, der uns plötzlich nicht mehr zu kennen schien, hinauskomplimentieren ließ. Es war ein brutaler Auftritt wie der des Ochs von Lerchenau im ersten Akt des »Rosenkavaliers«. Wir fanden dies richtiggehend rücksichtslos. Doch der Herr Mautner-Markhof mit Stirnglatze und mächtigem Backenbart, gehörte, wie wir erfuhren, zu den reichsten und einflussreichsten Persönlichkeiten der Republik. Andere Begegnungen waren charmanter. Eines Tages stand ich bedrückt an der Kasse der Oper, in der wenig aussichtsreichen Hoffnung, noch einen Platz zu ergattern. Eliette von Karajan bemerkte mich. Wir kamen ins Gespräch, redeten auf Französisch, und sie spendierte mir eine Karte. Der gewandte Wallo, der in Wien Weltwirtschaft studierte, war in jeder Hinsicht für mich ein unerreichtes und unerreichbares Vorbild. Er hatte keinerlei Selbstzweifel, gab mir Schutz und kümmerte sich um mich wie ein Bruder. Beim Studieren der Speisekarte im Restaurant genierte er sich nicht, die Gäste am Nebentisch zu fragen, ob er, weil er nicht so richtig wisse, was er nehmen wolle, bei ihnen versuchen dürfe. Und nie hat ihm dies jemand verwehrt. Er hatte in dem Jahr, in dem wir zusammen studierten, zweimal eine große, ja überschwengliche Zeit. Eine vermögende Dame aus dem Rheinland, deren Bekanntschaft er während des Wintersemesters gemacht hatte, beauftragte ihn, sich einige Tage lang ausschließlich um sie zu kümmern. Da wurden die anderen Freunde, wie es im »Rosenkavalier« heißt, »gewöhnliche Bagagi«. Und man bekam die Order, ihn im Konzert oder in der Oper, wann immer er mit seiner Begleitung auftauchte, ja nicht zu grüßen oder anzusprechen. Ich nannte die Dame Wallos Madame Houpflé nach der nymphomanischen Gattin des Klosettschüssel-Fabrikanten in Thomas Manns Felix Krull . Madame Houpflé wird dort glücklich bei der Begegnung mit einem jungen Hermes, einem zweiten Gott der Diebe, der sie bestiehlt und ihr dank dieses Kitzels gesteigerte Liebeswonnen beschert. Was mir später nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, war die Verbindung des Gottes Hermes mit dem Motiv des sanitären Artikels, dem der Ehemann von Madame Houpflé seinen großen Reichtum verdankte. Was mir im nachhinein mehr als Zufall erscheinen will, ist der Umstand, dass Thomas Mann den Felix

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