Mein Glueck
dem Spies widerstanden hat.« Dies schloss aber nicht aus, dass er in einem Interview bekanntgab, ich hätte mit meinen Aufträgen für die Geschichte der französischen Nachkriegsliteratur eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. In der Tat hatte sich dies herumgesprochen, Jean Edern Hallier, Jean-Pierre Faye, dessen Stück »Zentrum« von Ludwig Harig übersetzt worden war, Severo Sarduy, Daniel Boulanger und Georges Limbour erkundigten sich nach den Bedingungen. Auch Mario Vargas Llosa schrieb mir am 10. Februar 1967 , dass er gerne ein Hörspiel schreiben würde. Ich bewunderte bei Robbe-Grillet die Leichtigkeit, mit der er mit anderen und mit sich selbst umging, wie er seinen Spott verwaltete. Nur im Zusammensein mit Beckett oder Nathalie Sarraute, denen er höchsten Respekt zollte, verlor er etwas von der Armierung, die ihn vor dem allzu Netten schützen sollte. In unvergesslicher Erinnerung bleibt der Tag, an dem 1985 Claude Simon der Nobelpreis zugesprochen wurde. Selbstverständlich wusste Robbe-Grillet, dass damit alles, was mit Nouveau Roman zu tun hatte, von Stockholm nun ein für alle Mal bedacht worden war. Nicht er, der »Papst des Nouveau Roman«, wurde ausgezeichnet, sondern ein Schriftsteller, der seiner Ansicht nach nicht mehr als ein Mitakteur gewesen war. Er beglückwünschte Simon im kleinen Kreis mit einem bleichen, mörderischen »Schön für dich. Das wird dich bekannt machen«. Später, nur wenige Jahre vor seinem Tod, akzeptierte er – und das war eigentlich lange unvorstellbar –, sich für die Aufnahme in die Académie Française zu bewerben, oder besser gesagt, einer Aufnahme zuzustimmen. Von Freunden wie Pierre Rosenberg wusste ich, dass diese erstaunliche Kandidatur problemlos akzeptiert würde. Am Tag der Wahl ließ mich Robbe-Grillet vormittags von einer für 17 Uhr geplanten Einladung ins Café »Les Deux Magots« in Saint-Germain-des-Prés benachrichtigen. Dort sollte die Wahl gefeiert werden. Als ich zu der Gruppe von Freunden stieß, die sich bereits um den künftigen Unsterblichen versammelt hatte, flüsterte er mir zu, nie werde er dieses Zeremoniell unter der Kuppel über sich ergehen lassen. Offenbar wollte er die Institution sabotieren. Und in der Tat blieb er für den Rest seiner Tage ein Zombie der Académie. Er wollte draußen-drinnen, zwischen den Stühlen, bleiben. Nicht von ungefähr entdeckte ich beim Googeln, dem Glasperlenspiel unserer Zeit, das mit Robbe-Grillets nie zu Ende kommender Suche nach immer neuen Varianten einer Tat zu tun zu haben scheint, als Übersetzung für den Fauteuil des Académicien die vielversprechende Vokabel »Rollstuhl«.
Robbe-Grillet war gewählt, aber er konnte nicht als aufgenommen gelten, ein in den Annalen des Hauses offensichtlich einmaliger Vorgang. Denn er wollte von dem offiziellen Akt der Réception nichts wissen und war nicht bereit, sich in grüner Uniform, mit Dreispitz und Degen zu präsentieren. Derjenige aus der Reihe der vierzig Unsterblichen, der beim Einzug unter die Kuppel das Lob auf Robbe-Grillet, den Inhaber des zweiunddreißigsten Sessels der Institution, verkünden sollte, wurde um diese Ehre gebracht. Nach dem Tod von Robbe-Grillet wählte die Akademie François Weyergans zum Nachfolger eines Phantoms. Robbe-Grillet verdanke ich nicht nur das erste Treffen und die Freundschaft mit Beckett, sondern, im Umkreis von »Letztes Jahr in Marienbad«, die Begegnung mit Delphine Seyrig, die in diesem Film einer Allegorie der Vermutung vergleichbar von einer Gelegenheit zur anderen schwebt. Nicht weit vom Drehort, an der normannischen Küste zwischen Cabourg und Deauville, an der Proust als Kind seinen präsurrealistischen Ausstieg aus der Wirklichkeit erlebt, besaß Marguerite Duras in den »Roches Noires« eine Wohnung. Aufregend war die Nonchalance, mit der die so ätherisch wirkende Delphine im Haus, in dem wir untergebracht waren, das feine handbemalte Porzellan der »Chiotte« im Badezimmer bewunderte. Mit ihr, Julie Dassin, Robert Hossein und Marguerite Duras blieb ich einige Tage am Meer, in Trouville. In Cabourg selbst verbrachte ich auch später mit meinen Freunden Henning und Anna Ritter ein Wochenende. Wir saßen oben in dem Zimmerchen des »Grand Hotel«, in dem der kleine Proust die Ferien zugebracht haben soll. Schweigend blickten wir auf den riesigen Strand. Weit im Hintergrund erahnte man die Ausläufer von Le Havre. Wenn sich das Meer zurückzog, hinterließ es die irisierenden Farben, die wir aus
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