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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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Claude Pompidou und Karl Flinker war denn auch von Albers die Rede. Begeistert sprach der Botschafter vom großen Schauspieler. Er meinte natürlich Hans Albers. Nina nahm den Faden auf und meinte, ja, Josef sei auch immer wieder fabelhaft im Bauhaus-Theater aufgetreten. Einen anderen Albers konnte sie nicht kennen. Über die amerikanische Zeit sprachen Anni und Josef mit Begeisterung, mit Dankbarkeit, vor allem über die herzliche und neugierige Aufnahme, die sie bei Studenten gefunden hatten. In ihrer Sammlung präsentierten sie mir präkolumbische Terrakotten, die sie von ihren jährlichen Reisen nach Mexiko oder aus Tikal im nördlichen Guatemala mitgebracht hatten. In der Wohnung, auf Möbeln und Kommoden tauchten diese nirgends auf. Sie zeigten mir Fotos von den Adobe-Häusern aus getrockneten Lehmziegeln, deren rechteckige Struktur Albers zu einer ersten Serie von Variationsbildern angeregt hatte. Vom großen Fotografen Albers war damals noch nicht die Rede. Er kam nie auf seine Schätze zu sprechen, die erst einige Zeit nach dem Tod des Künstlers entdeckt wurden.
    Im Motel in Orange hatte ich bis zum Morgen auszuharren. Es gab nichts in der Umgebung. Als ich zum ersten Mal das Fenster an der hinteren Wand des Zimmers öffnete, bekam ich einen Schreck, eine überlebensgroße schwarze Christusfigur mit ausgebreiteten Armen stand mir gegenüber. Der Blick ging auf den Friedhof. Ich war deshalb auch keinesfalls versucht spazierenzugehen. Die Erfahrung der Bilder von Albers packte mich, und aus diesem Grund eröffnete ich das Vorwort »Optical art und Kinetik«, das ich auf Veranlassung von Max Imdahl 1968 für den zweiten Band des Katalogs der »documenta 4« schreiben durfte, mit den Worten: »Nichts widersteht dem Auge mehr als die Fakten, durch die es sich seiner selbst bewusst wird.« Die Verwendung optischer Gesetze schränkt die subjektive Interpretation und damit die Verlorenheit des Betrachters ein. Kein intellektueller oder psychischer Überbau vermag das Sehen zu mildern. Für mich bedeutete diese Erfahrung eine wesentliche Absicherung.
    Die Gespräche und das Zusammensein mit Max Imdahl und seiner Frau Ebba waren für mich der große Gewinn dieser Zeit. Ich lernte nicht nur einen gescheiten und blendenden »Verbalisierer« kennen, sondern einen Menschen, mit dem mich rasch eine tiefe Freundschaft verband. Unvergesslich bleiben mir auch die gemeinsamen Besuche in Pariser Ateliers, um in Vorbereitung auf die »documenta« Künstler und Werke kennenzulernen. Dazu gehörten Hains, Sanejouand, César, Morellet, Soto. Eines Abends trafen wir am Montparnasse auf die amerikanische Malerin Shirley Goldfarb, die häufig im »Flore« oder »Sélect« saß und in Hefte ihre Begegnungen mit Warhol, Yves Saint-Laurent, Bacon und die Vorahnungen ihres frühen Todes notierte. Ihren Mann, Gregory Masurowski, hatte ich durch Michel Butor kennengelernt, der zu seinen überaus sensiblen und feinen Radierungen Texte geschrieben hatte. Shirley bat uns, doch auch in ihr Atelier zu kommen. Wir zogen kurz nach Mitternacht los, betraten einen Schuppen, in dem eine Staffelei mit einem monochromen gelben Bild stand. »Genial!«, rief Max, trunken von der Entdeckerlust und vom Mythos einer Bohème am Montparnasse, die es schon seit Jahrzehnten nicht mehr gab. Shirley, geängstigt, versuchte den Jubel zu unterbrechen und sagte, das sei doch nur eine Leinwand, die sie eben grundiert und für die Arbeit vorbereitet habe. Nichts hielt meinen Freund davon ab, sich weiter in seine Begeisterung hineinzusteigern, in die ihn eine derartige konzeptuelle Radikalität versetzt hatte.
    In der Galerie de France lernte ich Pierre Soulages und Hans Hartung kennen, die mich in ihre Ateliers, in eine völlig andere Welt einluden. Bei Hartung ging es wie in einem Laboratorium zu, in dem psychische Entladungen auf Blättern und Leinwänden wie zu Versuchsreihen nebeneinander aufgereiht waren. Die Bilder aus dieser Zeit waren elegant, geleckt. Mir kam es vor, als schaue man in den Spiegel eines Friseurs, der stolz seinen mit Spray verewigten Haarschnitt präsentierte. Außen am Gitter hing ein Schild, der Briefträger möge bitte nicht vor 11 Uhr morgens stören. Diese Vorherrschaft der nichtfigürlichen Welt zerbrachen in der Galerie de France eigentlich nur Eduard Pignon, der eine streitbare linke Thematik verfolgte, und Zoran Mušič.
    Vor allem Mušič mit seiner ungeheuerlichen Ikonographie, die den Opfern des Holocausts, den Leichenbergen galt,

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