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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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etwa der sinistre Kapo, der das Einsammeln der Goldzähne überwacht, die den wie ausgebeinten Leichen aus den Mündern gebrochen werden. Der Aufseher zählt diese, wie Mušič zu berichten wusste, nicht de visu, er addiert die Metallklänge, den schrillen Ton, mit dem das Gold in den Blecheimer fällt. Er sprach nicht gerne über diese Erlebnisse. Erst wesentlich später, in den siebziger Jahren, trat Mušič, nicht zuletzt dank des Einsatzes von Jean Clair, ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Es war in dieser Zeit, da ich ihn wirklich kennenlernte und viel mit ihm zusammen sein durfte. Er war ein Mann voller Erinnerungen, vor allem guter, ein Mann der Güte. Diese Güte hatte etwas Rätselhaftes, Beschämendes. Es war kaum vorstellbar, dass ein Mensch, der Derartiges mitgemacht hatte, sich nun derart präzise auf die positiven Seiten des Lebens beschränkte. Seine Freunde, zu denen zu Mušičs Freude auch Peter Handke zählte, verehrten diesen mächtigen, eindrucksvollen Mann, der sich aus Erfolg so wenig machte. Mit Peter Handke redete er über die kahlgeschorenen Karstlandschaften Dalmatiens, die sie beide erwandert hatten. In der Nachkriegszeit lieferte die Gegend um Bukovica, der Heimat Mušičs, dem Maler Motive. Immer wieder trafen wir uns in Venedig, wo er mit seiner Frau, der Malerin Ida Barbarigo, die meiste Zeit in einem Palast am Canal Grande verbrachte. Er zeigte dann den Sessel, in dem François Mitterrand, der mit Mušič befreundet war, bei seinen Besuchen saß, um mit Blick auf den Canal Grande zu lesen und zu diskutieren. Die Stadt kannte Mušič genau, und er schickte mich und Monique an präzise beschriebene Orte, die wir ohne ihn wohl übersehen hätten, etwa in die Sakristei von Santo Stefano zu einem der erregendsten und freiesten Bilder Tintorettos, einem »Christus am Ölberg«. Man stand vor dem Hinschwinden der Materie, das das Spiel mit Evaneszenz vorausnimmt, das die Futuristen später zum Thema erheben sollten. 1997 half ich bei der Zusammenstellung einer Ausstellung, die die passionierte Sabine Schulze in der Schirn-Kunsthalle in Frankfurt organisierte. Es war auch damals noch schwer, ein Museum in Deutschland für dieses Werk zu erwärmen. An eine Übernahme der Ausstellung durch ein anderes Institut war überhaupt nicht zu denken. Und bis heute hat sich daran nichts geändert.
    In der Galerie de France und in der Wohnung am Quai de Bourbon, bei Myriam Prévot und Gildo Caputo, verkehrte ich lange Zeit häufig, ja ständig. Caputo erzählte mir voller Stolz, dass sein Großvater Angelo Sommaruga als Verleger d’Annunzio entdeckt hatte. Und Myriam Prévot entstammte, wie sie erzählte, einer wohlhabenden polnisch-russischen Familie, die für Arthur Rubinsteins Studium in Wien aufgekommen war. All diese Begegnungen bedeuteten für mich völlig neue Gespräche und Entdeckungen. Das spürte ich nicht zuletzt bei Besuchen von Clement Greenberg, der sich für einige Künstler und den Geist der Galerie interessierte. Er galt als der Evangelist des abstrakten Expressionismus und war ein wichtiger Wortführer der frustrierten Fronde gegen Picasso, die man in den Ateliers zu spüren begann. Er verkündete 1966 , der Spanier habe aufgehört, unentbehrlich zu sein. Auf Max Ernst hätte ich ihn nicht ansprechen dürfen, denn von diesem bezog er einmal in New York eine saftige Ohrfeige. Bei Myriam Prévot hörte ich erstmals kritische Anmerkungen zu Kunstmarkt und Spekulation, die gültig geblieben sind, und konkrete Hinweise auf den schwierigen Umgang mit den Malern, die, wären sie nicht Künstler geworden, als Psychopathen durch die Welt laufen und die Gesellschaft bedrohen würden. Die Verve, mit der die intelligente, wortgewaltige Frau ihre Position verteidigte, die Art und Weise, wie sie alles auf die lyrische Abstraktion setzte, beeindruckten mich. Sie übertrieb ihre eigene Hässlichkeit und richtete sich so her, dass sie der »Sylvia von Harden« von Otto Dix, die im Musée d’Art Moderne hing, immer ähnlicher wurde . Der internationale Ruf der Galerie, die Zusammenarbeit und Freundschaft mit Museumsdirektoren, darunter Werner Schmalenbach, die Diskussionen, die bei ihr zustande kamen, waren einzigartig. Und einzigartig war auch der kommerzielle Erfolg. Die Kunden standen Schlange. Das war völlig neu. Es gab Wartelisten für Bilder, die noch nicht gemalt waren. Dass auf diese Hitzeperiode bald eine deutliche Abkühlung folgen sollte, konnte damals niemand ahnen, so fest war die

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