Mein Glueck
stießen zwei aufeinander, die sich nie wieder hätten sehen sollen. Max blieb während des ganzen Essens ziemlich einsilbig, was sonst, wenn er sich unter Freunden befand, nie der Fall war. Und auch die schöne Dorothea, die die Guggenheim mit heimlicher Empörung musterte, enthielt sich jedes Kommentars. Jeder wusste, dass Peggy Opfer ihres eigenen Ehrgeizes geworden war. In New York hatte sie ihren berühmten Ehemann Max Ernst gebeten, ihr bei der Ausstellung »Women-Painters« zu helfen und Künstlerinnen in deren Ateliers aufzusuchen. Dabei begegnete er Dorothea Tanning. Auf ihrer Staffelei entdeckte er ein Bild, auf dem die junge Malerin an den vorderen Bildrand gerückt ist und den Betrachter mit ihrer Erscheinung wie magnetisch anzieht. Dorothea feierte ihren Geburtstag genau einen Tag vor Peggy Guggenheim. Anspielungsreich gab Max Ernst dem Bild den Titel »Birthday«. Das einzige, was mir Peggy an diesem Abend nach dem Essen zuflüsterte, war: »Am Wettbewerb nahm eine Frau zu viel teil.« Sie wusste, dass sie trotz diverser Operationen alles andere als eine Schönheit war. Ich dachte an das böse Wort eines französischen Ministers, der mir beim Mittagessen über seine Frau verriet, in ihrem Gesicht sei alles falsch außer der Nase. Peggy gab in ihrem Erinnerungsbuch Confessions of an Art Addict ( Ich habe alles gelebt ) offen zu, dass ihr Liebhaber Marcel Duchamp einem kuriosen Laster, nämlich hässlichen Frauen, verfallen sei.
Am nächsten Tag besuchte ich noch einmal den Palazzo Venier. Peggy saß in ihrem Museum am Eingang des Hauptsaals im Erdgeschoss und verkaufte Kataloge. Ich erwarb einen und erzählte dies anschließend Max. Er fragte, ob sie mich erkannt habe, und als ich das verneinte, antwortete er: »Da hast du aber Glück gehabt, denn wenn sie dich erkannt hätte, hätte sie den doppelten Preis verlangt.« Ein definitives, vernichtendes Urteil, das Max damit über diese Frau fällte. Und es war auch das letzte Wort, das ich über sie aus seinem Mund hörte.
Ich erfuhr, dass er während der gemeinsamen Ehe von ihr nur ein schmales Taschengeld bezogen hatte. Peter Schamoni erzählte mir eine Geschichte, die er einmal von Max oder Jimmy gehört hatte. Beide beobachteten, wie bei einer Soirée in der Wohnung von Peggy am Sutton Place ein weiblicher Gast ein kleines Bild von Max Ernst einsteckte. Am anderen Tag ging Jimmy in die Wohnung der Diebin und forderte die Frau auf, das Bild wieder herauszurücken oder tausend Dollar zu zahlen. Sie weigerte sich. Daraufhin packte Jimmy das Schoßhündchen der Frau, einen Lhasa Apso, und nahm es mit. Er überbrachte das Tier der gerührten Peggy mit dem Hinweis, dies sei ein Geschenk von Max. Sie habe sich daraufhin wenigstens vorübergehend etwas großzügiger gezeigt. Auf diese prekäre Lage spielte bei einem Besuch in der Rue de Lille auch John Cage einmal an, der Max Ernst zutiefst verehrte. Als Max wenige Monate nach seiner Ankunft in der amerikanischen Emigration nach Chicago reiste, um das Art Institute und das Field Museum am South Lake Shore Drive zu besuchen, traf er mit John Cage zusammen, der damals bis zu seinem Umzug nach New York an der Chicago School of Design experimentelle Musik unterrichtete. Max war begeistert von dieser Begegnung, von Cages unorthodoxem Umgang mit Musikinstrumenten, mit präparierten Klavieren, mit der Produktion von Tönen und Geräuschen, die die Derision Saties weiterführten. Er lud ihn ein, ihn in New York zu besuchen. Wenige Tage später meldete sich John Cage in der Wohnung von Peggy Guggenheim und erzählte, er sei eben mit einigen Mitgliedern seines Schlagzeug-Ensembles eingetroffen. Er habe daraufhin, erzählte Max Ernst, »wunderbar« gesagt und ihn für den nächsten Tag schon einmal zu einem Drink eingeladen. Doch sobald er eingehängt hatte, fiel ihm auf, dass Cage am Telefon irgendwie unglücklich gewirkt hatte. Er rief sofort zurück und schlug vor, er möge doch sofort kommen. Es stellte sich heraus, dass John Cage und seine Freunde ihren letzten Dollar ausgegeben hatten und in der Hoffnung in die Stadt gekommen waren, bei Max Ernst Unterkunft zu finden. Das führte zu einer Auseinandersetzung mit Peggy. Doch Max setzte sich durch.
Dorothea und Max nahmen mich nach kurzer Zeit überallhin mit, unter anderem auch mit Marcel Duchamp, den wir ab und zu in der Pariser Wohnung getroffen hatten, zu einem Schachturnier nach Monaco, bei dem unter dem Patronat von Grace Kelly Duchamp als Präsident
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