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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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Calder, Braque, Baumeister, Arp, Giacometti, Miró, Picasso, Max Ernst, Le Corbusier, Breuer, Josep Lluis Sert, Mies van der Rohe, Gropius und Nervi Stirling Gerd Hatje entgegengebracht haben, kamen seiner Begeisterung zugute. Von der Sicherheit, die Hatje an den Tag legte, profitierten auch Künstler, die inzwischen von der Zeit stark gebeutelt worden sind und die in den wunderbar klaren Büchern des Verlags so etwas wie ein akzeptables Leben nach dem Tode weiterführen dürfen. Für mich, der ich nach Paris gezogen war, um dort eine Gegenwelt zu entdecken, war es ein Glück mitzuerleben, dass einige Franzosen auch wohlwollend auf das Neue im Nachkriegsdeutschland blickten. Bei dieser ersten großen Zusammenarbeit mit Gerd Hatje erlebte ich also das, was sich später bei den Büchern, die im Atelier von Max Ernst oder in der Wunderkammer bei Brassaï, bei Vasarely, bei Albers oder Christo und Jeanne-Claude entstanden, immer wiederholen sollte. Hier war kaum von Kalkulation, aber viel von der Beziehung zwischen Bildern und Text die Rede, und die Stunden, in denen wir den »Dummy« und schließlich den definitiven Umbruch zusammenklebten, gehörten zu den glücklichsten Belohnungen. Wenn ein Außenstehender in diese Runde geraten wäre, bei der Verleger und Autor abwechselnd vor Vergnügen über das glückliche Zusammengehen von Serifen und Tafeln aufseufzten oder ihre Lieblingsmelodien sangen, hätte er uns mit Sicherheit für verrückt erklärt. Aber was soll’s, alle Bücher, die man mit Gerd Hatje zusammen machen durfte, hatten etwas mit dem Lustprinzip zu tun. Deshalb freute es mich auch, wenn Max Ernst, Picasso, Vasarely, Albers oder Christo die Publikationen bei Hatje mit besonderer Freude und Anerkennung in die Hände nahmen. Ich zitiere dazu aus dem Brief des Anspruchsvollsten und Schwierigsten. Josef Albers schrieb mir am 22. Februar 1971 folgende Zeilen: »Und weil ich eben eine ›Self-Book review‹ an den Verleger schrieb, darf ich sie auch wohl meinem Autor sagen: obgleich in seinen Ausmaßen klein, ist es ein großartig kondensiertes Buch, wörtlich wie bildlich (hier sollte ich wohl »textlich« sagen). Dazu exzellent im Design. Sogar der Umschlag sieht einen überzeugend an – in seiner Symmetrie.« Wenn man sich heute an diesen Verleger und sein Tun erinnert, ist das Wunderbare, dass man vor allem an einzelne Titel denkt. Gerd Hatje gehört zu jenen, denen es zu verdanken ist, wenn Bücher weiterhin als Individuen dem Feuersturm des Virtuellen und Elektronischen widerstehen.
    Kahnweiler, die Freundin Hélène Parmelin und ihren Mann Édouard Pignon, die zu Picasso damals einigermaßen einfach Zutritt hatten, informierte ich regelmäßig über den Fortgang meiner Arbeit und zeigte ihnen die umfangreiche Dokumentation, die ich zusammengestellt hatte. Schließlich konnte ich für die erste Auflage des Buches sechshundertsiebzig Stücke abbilden und kommentieren. Ihre Versuche, Picasso dazu zu bewegen, mich nun doch endlich zu empfangen, wurden von diesem immer wieder mit einem »Das wird bald kommen« abschlägig beschieden. Eines Abends hätte es dann doch einmal fast geklappt: Wir feierten in Édouard Pignons Atelier in der Rue des Plantes dessen Geburtstag. Es gab viel Kaviar, Blini, Lachs und Wodka. Und Hélène sagte mir, Pablo werde möglicherweise in ein paar Minuten anrufen und sie werde versuchen, ihn an mich weiterzureichen. Schließlich hatte ich eines Tages die fertige Maquette des Buches in Händen. Kahnweiler sowie Louise und Michel Leiris waren begeistert, revoltierten nun richtiggehend und forderten Picasso dringend auf, mich einzuladen, ich würde ihm eine veritable Überraschung aushändigen.
    Schließlich kam der langersehnte Tag. Man teilte mir mit, ich solle mich in Mougins melden. Der Sekretär, Miguel Montañés, ließ mich telefonisch wissen, dass mein Besuch am nächsten Tag um 17 Uhr erwartet werde. Aber ich solle doch zur Sicherheit nach meiner Ankunft in Nizza die Nummer 900.289 in Mougins anrufen, um mich zu versichern, ob es bei diesem Termin geblieben sei. Nach einer schlaflosen Nacht kam ich am späten Vormittag in Nizza an und wartete einige Stunden am Flughafen. Dann stieg ich in ein Taxi und bat: »Nach Mougins, zu Monsieur Picasso.« Der Fahrer schaute mich verwundert und offensichtlich ungläubig an, schien sich dann aber zu sagen, dass dies doch eine attraktive Fahrt sei, und wir machten uns auf den Weg. Ich klingelte, das metallene Tor von Notre-Dame-de-Vie

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