Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
Vom Netzwerk:
Baugenehmigung. Eine solche hätte der Künstler auch nie bekommen. Die kuriose Schwarzarbeit wurde zunächst von den freundlich gesinnten Notabeln der zuständigen Gemeinden toleriert. Spaziergängern, die bis zum Bauplatz ins Unterholz vorstießen, nahm man das Ehrenwort ab, ja nichts von dem finsteren Treiben zu verraten. Jean teilte mir mit, die Leute erzählten sich, er errichtete eine Schwarzbrennerei. Immer wieder tauchten Vandalen auf. Teile verschwanden, Jäger schossen sich auf den Kopf ein. Als schließlich der Punkt erreicht schien, da kein Einspruch mehr die Existenz des Werkes bedrohen konnte, machte Tinguely 1987 den Kopf im Wald dem französischen Staat spitzbübisch zum Geschenk. Und zur Eröffnung, die im kleinen Kreis stattfand, ist François Mitterrand gekommen. Er durchkletterte den Kopf, ließ sich alles erklären und nahm am darauffolgenden Cocktail teil.
    Wenn wir uns den Riesenkopf in der Nähe des Hauses von Niki de Saint Phalle und Tinguely näher betrachten und beim Besuch in seine Gehirnwindungen eindringen, stellen wir fest, dass hier viele Namen auftauchen, die in beider Leben eine Rolle gespielt haben. Alle Freunde haben einen Beitrag zu diesem kollektiven Werk geleistet. Wie könnte es auch anders sein – Tinguely war ein Genie der Freundschaft. Dies gilt ebenso für Niki. Umso erstaunlicher ist eine Notiz Tinguelys aus den sechziger Jahren: »Zudem bin ich verzweifelt. Bin ich doch ein in mir eingeschlossener Einzelmensch und aufgehängt und zu meinem eigenen Ich lebenslänglich verurteilt.« Der passionierte Leser Tinguely verstand unter Freundschaft mehr als Kumpanei. Von dieser hielten Niki und Jean nicht viel. Das Freundschaftsbild, das überragende Thema der Maler der Romantik, Tinguely und Niki de Saint Phalle nehmen es auf. Unter diesen Auspizien erhält die Grundtechnik, zu der Tinguely in seinen Arbeiten greift – das Zusammenschweißen –, eine symbolische Bedeutung. Die Verbindung mit dem Surrealismus, die Freundschaften mit Marcel Duchamp, Max Ernst gehören ebenfalls hierher. Auch wenn ich Tinguely sehr oft gesehen habe, ist mir ein Erlebnis in einschneidender Erinnerung geblieben. Der an sich so heitere und zu immer neuen Scherzen aufgelegte Freund, der sich mehr um andere als um sich selbst kümmerte, begann auf unerwartet radikale Weise sein Werk zu ändern. Etwas Erschreckendes trat mit einem Schlag hinzu, das den früheren Spieltrieb, die Mischung »Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung« vernichtete. Stampfende, hysterisch rotierende, mit zuckenden Schatten herumfingernde Riesenarbeiten wie »Inferno«, »Mengele« oder »Die Hexen oder Schneewittchen und die Sieben Zwerge« führen neben einer unübersehbaren Fülle von Zivilisations- und Konsummüll ein Pandämonium aus Skeletten, entfleischten Schädeln von Hunden, Wildschweinen, Ochsen und wüst kostümierten maschinierten Sukkuben ein, die den Betrachter in eine böse Welt hineinziehen. Schwarzen Humor hatte es zwar auch zuvor immer wieder gegeben bei Tinguely – in mit apokalyptischen Gags spielenden kleinen Welttheatern mit ihren anthropomorphen, ächzenden, wie unter Sklavenhaltern stöhnenden, sich hilflos abstrampelnden Maschinen und der Musik à la Satie und Cage –, aber diese jüngsten, aus der selbsterfahrenen Begegnung mit Tod und Vernichtung resultierenden Karambolagen mit dem Nichts hatten überhaupt nichts mehr mit dem vermeintlich naiven, liebenswert-anarchistischen Urkauz Tinguely zu tun, mit dem Tinguely, dessen Name geradezu lautmalerisch das Gekichere und das Schlingern der animistischen Maschinenwelt enthielt. Mag das terrorisierende und erschreckende Inventar der Panik, zu dem Tinguely greift, auch völlig überraschend auftauchen, die Ankündigung der späten, unverhüllten Demonstration der Verzweiflung finden wir im Grunde bereits in Äußerungen und Zeitenklagen, die in die sechziger Jahre zurückgehen.

Das Tor öffnet sich – Pablo Picasso

Es gab wohl keinen immenseren und verwegeneren Wunsch für jemanden aus meiner Generation als den, Picasso zu treffen. Ich wusste, dass dieser Wunsch unerfüllbar war. So gut wie niemand wurde bei ihm in Mougins vorgelassen. Das galt sogar für die engsten Freunde. Er empfing nur seinen Galeristen, seinen Schneider und seinen Friseur, Leute, die er brauchte. Zu diesen hätte ich gerne gehört. Damals war nicht vorauszusehen, dass ich eines Tages auch so etwas wie eine Art von nützlichem Friseur oder Installateur werden und so Zugang

Weitere Kostenlose Bücher