Mein Glueck
auch auf die Metallassemblagen, die er mit der technischen Unterstützung von Julio González anfertigte. Ich erzähle von meinem Besuch bei der Tochter von González, Roberta, die mit Hans Hartung verheiratet gewesen ist. Sie hatte mir von den Erinnerungen an die Treffen zwischen dem Vater und Picasso erzählt und zeigte mir die zahlreichen Rohrpostbriefe, in denen der Künstler González bittet, schnell wiederzukommen und für ihn zu arbeiten. Ich erwähne, dass ich dabei Einblick in einen aufregenden Text des Vaters bekam. In Picasso et les cathédrales schildert der Kunstschmied voller Demut die technischen Handreichungen, die er zwischen 1930 und 1932 Picasso leisten durfte. Das interessiert Picasso brennend: »Das möchte ich gern lesen.« Und er fügt hinzu, der Freund habe ihn in Metalltechniken eingeführt, auf die er später immer wieder zurückgreifen sollte. Er weist jedoch auch darauf hin, dass alles an diesen Metallarbeiten dem Metier des Kunstschmieds zu widersprechen schien. In der Tat, die Einzelteile sind sichtbar, ungenau aneinandergefügt, alle technische Perfektion wurde vermieden. Ja, der Reiz liege in einer parodistischen Verwendung der Mittel, im bewussten, freiwilligen Dilettantismus. Und Picasso fügt wörtlich hinzu: »Als wir diese Skulpturen machten, brüllten wir vor Lachen. Bei diesem Kopf kam ich plötzlich auf die Idee, Salatsiebe zu verwenden. Ich sagte zu González: ›Kauf mir zwei Salatsiebe.‹« Diese poetisch-humoristische Improvisation gehe völlig auf sein Konto. González hatte dabei ein schlechtes Gewissen. Er habe gesagt: »Wenn mein Vater sehen könnte, was ich da pfusche, würde er mich verprügeln.« Doch während der Zusammenarbeit sei er auf die Möglichkeiten einer laienhaften Ausübung des Metiers aufmerksam geworden und habe damit begonnen, selbst solche Metallskulpturen anzufertigen. Und Picasso fährt fort: »González fragte mich, ob er auch solche Objekte herstellen dürfe. Ich habe ihn selbstverständlich dazu ermutigt.«
Das Thema Skulptur hat Picasso gepackt. Ich frage ihn, ob er in den zwanziger Jahren wirklich ernsthaft beabsichtigt habe, nach seinen Vorzeichnungen Monumentalskulpturen auf der Croisette in Cannes zu errichten. Die amorphen, zerfließenden Formen seien doch kaum realisierbar gewesen. Picasso widerspricht: »Man kann alles machen.« Er verweist auf Gaudí, auf seine eigenen, zum Teil monumentalen Skulpturen, die er in Boisgeloup aus Gips geformt hatte. Außerdem wäre dies schnell auszuführen gewesen, und er erinnert mich an den Maler, der nach seinem Entwurf in einer Nacht des Jahres 1924 den riesigen Bühnenvorhang für das Ballett »Le Train Bleu« mit der Musik von Milhaud und einem Libretto von Cocteau realisiert habe. Wie sehr ihn die Monumentalskulptur lockt, beweist er mit einem Foto des zwanzig Meter hohen Kopfes aus Corten-Stahl, der vor dem Civic Center in Chicago steht. Er zeigt mir ein Foto. Während einer Demonstration sind Menschen hinaufgeklettert. »Das macht mir Spaß. So nützt das auch zu etwas.« Und er holt eine kleine Arbeit aus weichem Stoff und Leder hervor, die jemand nach seiner Monumentalskulptur angefertigt hat und die wie die ironische Version einer Oldenbourg-Skulptur aussieht. Vom Arbeiten ist in jedem dritten Satz die Rede, nicht aber von Kunst oder Malerei. Kurz vor seinem Geburtstag meinte er später lachend zu mir: »Die Eltern sollten ihre Kinder prügeln, wenn diese anfangen, auf die Mauern zu kritzeln. Sonst kann es vorkommen, dass sie nie mehr aufhören.« Dabei besteht er auf dem improvisatorischen Anteil in seinen Arbeiten: »Auch heute weiß ich noch nicht, wohin mich eine Arbeit führt. Ich fange an, an einer Ecke des Blattes, es wird ein kleiner Hund daraus oder sonst etwas, und das Zeichnen springt weiter von Blatt zu Blatt, von Leinwand zu Leinwand.«
Als ich ihm das fertig gedruckte Buch über das plastische Werk bringe, ist das Zimmer, in dem sich Picasso gerne nachmittags nach seiner Siesta aufzuhalten pflegt, so voll wie immer. Nur scheinen die Massen anders gelagert, als seien die mächtigen Gegenstandshügel von einem Erdbeben verrückt worden. Wieder die weiße Taube im Käfig. Der Durchgang in das sich anschließende Zimmer, in das er immer die Papiere und Gegenstände trägt, die er besonders sorgfältig aufheben möchte, ist diesmal verbarrikadiert. Auf dem Wellenkamm der Flut aus Gegenständen schwimmt wieder die nachtblaue Ansicht der Dächer Barcelonas. Unendlich viele
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