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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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sich behalten. Im Erdgeschoss des Hauses, in einer weitläufigen hellen Halle, stehen sie. Er trennte sich ebenso wenig von seinen Skulpturen wie von den Porträts seiner Frauen und seiner Kinder. Man verkauft nicht die Familie, und die Skulpturen gehörten nun einmal zu seinen nächsten Kreaturen. Hier stehen sie alle, die Gipse und manchmal ein Guss: »Frau mit Kinderwagen «, » Pavian mit Jungem «, » Die Ziege «, der Entwurf für die monumentale Eisenplastik vor dem Civic Center in Chicago, das Gipsmodell für den »Mann mit Lamm «, der auf dem Platz in Vallauris steht. Auf der Höhe des Bauches ist die Plastik für den Guss durchsägt worden. Kopf, Brust und Hände, die das Lamm halten, stehen auf der Erde neben den Beinen und dem Unterleib. Dazu all die Keramiken und Blechskulpturen. An den Frontseiten der Halle stehen Gipsabgüsse nach Michelangelos »Sklaven« aus dem Louvre. Picasso hat sie aus dem Grimaldi-Schloss in Antibes, dem er den Zyklus seiner Mittelmeerbilder ausgeliehen hat, mitgebracht. Er braucht den Anlass, die Anregung durch Objekte, Formen. Michelangelos »Sklaven« stehen für ein völlig anderes Arbeitsprinzip. Gegenüber Brassaï meinte Picasso einmal, dass er nicht verstehe, wie man von einem formlosen Block Marmor angeregt werden könne. Es ist aufschlussreich, dass er selbst nur wenige Versuche gemacht hat, aus Holz oder Stein Formen herauszuschlagen. Alle gehören dem Frühwerk an und blieben fast ausnahmslos Torsi, unfreiwillige Torsi. Teilweise sind die Skulpturen bemalt. »Ich möchte die anderen auch bemalen, den Kinderwagen, die Ziege, den Pavian.« Wir kommen auf die Musikinstrumente zu sprechen, die in den kubistischen Bildern und Konstruktionen so auffällig in Erscheinung treten. Er hat sie auch in Plastiken wiederholt zum Thema genommen. Seine berühmte »Gitarre« aus Karton und aus Blech, seine »Violine«. Man suchte sie wiederholt als Interesse am Musikalischen zu deuten. Picasso weist dies weit von sich: »Musik hat mich nie interessiert, allenfalls die Musik, die man während des Stierkampfs hört, und Volksmusik.« Eine Ausnahme macht er bei Melodien aus »Petruschka«. Poesie verschlinge er. Immer wieder kommt er auf Apollinaire zurück: »Haben Sie Le poète assassiné ( Der gemordete Dichter ) in Erinnerung? Das Denkmal, das man dem verstorbenen Dichter Croniamantal errichten will? Kein Standbild. Ein Denkmal für das Nichts, ein auszementiertes Loch im Boden, und dieses mit Erde gefüllt. Ich habe immer vor, so etwas zu machen. Jacqueline kauft mir viele Bücher, darunter viele auf Spanisch.«
    Er erzählt mir auch, dass Swjatoslaw Richter, der selbst male, zu seinem achtzigsten Geburtstag nach Nizza gekommen sei und ihm vorgeschlagen habe, nach Mougins zu kommen und für ihn zu spielen. Er habe geantwortet: »Bitte, auf keinen Fall.« Unter den zahllosen Erinnerungsstücken und Geschenken besitze er einen Cellobogen, den ihm Rostropowitsch überreicht habe. Rostropowitsch hatte, wie mir Piero Crommelynck erzählte, darum gebeten, Picasso in Mougins aufsuchen zu dürfen. Beim Weggehen habe Rostropowitsch zu Picasso gesagt: »ich möchte dir meinen rechten Arm schenken«, und ihm seinen Bogen übergeben. Ich trage Picasso meine Theorie vom »anthropomorphen Musikinstrument« vor. Das Musikinstrument – der geschwungene Körper einer Mandoline oder Gitarre – ersetze ihm während des Kubismus den weiblichen Körper. Diese Zusammenführung zweier Inhalte in eine Form fällt in die Zeit, in der sich Picasso immer mehr auf extrem einfache Gegenstandssuggestionen beschränkt. Er bringt sozusagen die Bedeutung »weiblicher Körper« in der Form des Musikinstruments unter. Das findet Picassos Beifall. Wenn er auch nicht dazu neigt, über seine Kunst zu theoretisieren, so gibt er doch Hinweise für die Interpretation. Beim Betrachten des berühmten »Absinthglases« (1914) wurde dies besonders deutlich. Picasso hat hier einer kubistischen, modellierten Form einen wirklichen Absinthlöffel beigegeben, auf dem die Imitation eines Zuckerstücks liegt. »Ich interessierte mich für das Verhältnis, in dem Löffel und Form zueinanderstanden, die Art, wie sie aufeinanderstießen.« Es geht hier um eine grundlegende Definition seines Realismus. Als ich ihn nämlich auf eine bestehende Lesart des Absinthglases aufmerksam mache, die dieses als Porträt Maurice Chevaliers mit Mütze deutet, widerspricht er heftig: »Das war nie meine Absicht.«
    Im weiten Gartensaal stoßen wir

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