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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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führte, auch Krisen. Doch Telefongespräche oder Reisen halfen fast ausnahmslos, den punktuellen Widerstand zu brechen. Die Besuche in Chicago, New York, München, Berlin, Zürich, Basel und Stuttgart waren überaus hilfreich. Kein Brief konnte das direkte Plädoyer ersetzen. Stark berührten mich in den USA die Gespräche mit Emigranten aus Deutschland und Mitteleuropa, die von der Aussicht, in Paris das Panorama einer verlorenen Zeit entdecken zu können, richtiggehend elektrisiert waren. Ich begann zu ahnen, dass diese Ausstellung vielen Überlebenden des Naziterrors ihre Erinnerung wiedergeben konnte. Einmal übernahm ich während der Vorbereitung die Verantwortung für eine wichtige administrative Entscheidung, die drängte und die Pontus nicht absegnen konnte, weil er, wie häufig, auf Reisen war. Ich legte einen Zettel auf seinen Schreibtisch, in dem ich das erläuterte, was ich, ohne ihn zu konsultieren, beschlossen hatte. Nach seiner Rückkehr kam der Verwaltungsdirektor des Museums ganz aufgeregt zu mir: »Was du da geschrieben hast, hat Pontus tief getroffen.« Und er meinte, ich hätte doch bedenken müssen, dass Pontus aus einem Lande stamme, in dem die mündliche Kommunikation herkömmlicher und selbstverständlicher sei als diejenige mit Papier und Feder.
    Der Erfolg der Anfragen verblüffte uns alle. Offensichtlich war die Bitte, nach Paris zu leihen, für die meisten Museumsdirektoren eine Herausforderung, eine Pflicht und eine Freude. Aus München kamen Werke, die das Museum nie nach Berlin hätte reisen lassen, und dies traf auch auf so gut wie alle anderen beteiligten Häuser zu. Dies war für mich die entscheidende, auf den Kopf gestellte »exception culturelle«. Stuttgart sandte uns die herrlichsten Bilder von Schlemmer, die in Paris niemand kannte. Karl Lagerfeld kam wiederholt, um sie und die Figurenbilder der Neuen Sachlichkeit von Dix, Grosz und Hubbuch oder Christian Schads »Selbstporträt mit Modell« und »Graf St. Genois d’Anneaucourt« zu bewundern. Die Begeisterung der Kollegen aus der deutschsprachigen Welt über das Zustandekommen von »Paris–Berlin« hatte historische Gründe und hing nicht zuletzt mit dem Faszinationsgefälle zusammen. Die Nachbarn auf der anderen Seite des Rheins fühlten sich immer wieder ungeliebt oder mehr noch unverstanden. Umso begeisterter reagierten sie nun auf das Liebeswerben aus Paris.
    Das einzige, was mir aufstieß, war die Zeitgrenze 1930 , die das Centre Pompidou vorgegeben hatte und von der der Präsident des Hauses, Jean Millier, um nichts auf der Welt lassen wollte. Sein Argument lautete, man könne doch den deutschen Freunden nicht ständig dieses fatale Datum 1933 unter die Nase halten. Darüber bekamen wir uns in die Haare und wollten sogar ein wunderbares Essen bei Monsieur Bœuf in der Rue Saint-Denis stehen lassen. Ich bestand auf meiner Meinung. Wenn es eine Jahreszahl in unserem Jahrhundert gebe, die eine böse, jedem verständliche Zäsur bedeute, dann eben 1933. Dies zu verheimlichen wäre ein unverzeihlicher politischer Fehler. Pierre Boulez gab mir völlig recht, er nahm Partei für meinen Vorschlag, der dann schließlich akzeptiert wurde. Eine abstruse Anfrage kam vom Berliner Senat. Ein vor Angst schlotternder Beamter wollte eine Garantie dafür haben, dass der Berlin-Raum, den wir mit Dix, Grosz, Hubbuch und mit anderen für Berlin stehenden Künstlern bestücken wollten, das gesamte Berlin, nicht nur Westberlin einbeziehe. Er hatte Angst, wir könnten an den Viermächtestatus rühren. Die Antwort auf diese groteske Anfrage fiel leicht. Die Zeitgrenze 1933 konnte ihn schnell beruhigen.
    Das Projekt und seine finanziellen Implikationen wuchsen sehr schnell über das hinaus, was das Budget vorgesehen hatte. Man forderte mich auf, die Auswahl der Werke zu begrenzen oder für die zusätzliche Finanzierung zu sorgen. In meiner Not wandte ich mich an einen Freund, an Klaus von Dohnanyi, der damals Kanzleramtsminister bei Helmut Schmidt war. Ich schilderte ihm das Projekt, dessen Bedeutung ich ihm nicht erklären musste, und bat ihn, sich doch für dieses für die deutsch-französischen Beziehungen entscheidende Vorhaben beim Kanzler einzusetzen. Er fragte mich, wie viel Geld ich brauche, und ich nannte eine Summe, die 300.000 Mark überstieg. Er versprach, sich sofort darum zu kümmern, denn er verstand, dass keine Zeit für Kommissionen und lange Diskussionen blieb. Ich erhielt noch am selben Tag die Zusage. Später kam noch ein

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