Mein Glueck
Konsensus für eine Ausstellung rascher zustande. Zum Glück gab es die resolute und kämpferische Suzanne Pagé, die im Laufe der Jahre ein kohärentes und weltoffenes Programm durchgesetzt hatte. Sie besaß ein internationales Ansehen. Außerdem zeigte sie sich bestens informiert über alles, was sich in den Ateliers außerhalb Frankreichs abspielte. Wichtig waren in den Jahren der Schließung des Museums die Sitzungen unseres Ankaufskomitees. Hier gab es die stärksten Erwartungen, Spannungen und Fehden. Leider erhielten wir keine Sondermittel, um für die Wiedereröffnung Werke zu erwerben. Manche geplanten Ankäufe sprengten unser reguläres, beengtes Budget.
Auf zwei ganzen Stockwerken sollten erstmals im Centre Bilder, Skulpturen, Installationen, Zeichnungen, Bücher, Dokumente, Fotografien, Filme von Künstlern, Videoarbeiten, Design und Architekturmodelle des zwanzigsten Jahrhunderts präsentiert werden. Wir waren uns dabei rasch einig, dass wir keine Period Rooms einrichten wollten, in denen die Gattungen gemischt würden. Ich plädierte dafür, die Trennung aufrechtzuerhalten und nicht die Grenze zwischen Skulptur, Möbel oder Architekturmodell zur Unkenntlichkeit zu verwischen. Außerdem schien es mir wichtig, der jüngsten Kunst mehr Platz als bisher einzuräumen. Neben dem Ankauf zeitgenössischer Arbeiten war ich der Ansicht, dass in erster Linie bedeutende historische Werke erworben werden müssten. Und ich kann sagen, dass sich alle freuten, als es gelang, Picabias »Dresseur d’animaux«, Otto Dix’ »Spiegelsäle in Brüssel«, Christian Schads Porträt des »Comte St. Genois d’Anneaucourt« oder auch Yves Kleins » Grande anthropophagie bleue, Hommage à Tennessee Williams« ins Haus zu bringen. Die Meisterwerke von Dix und Schad, die Gesche Poppe, die Frau von Siegfried Poppe, der zu den entflammten Akteuren der Ausstellung »Paris–Berlin« gehört hatte, bei einem gemeinsamen Besuch mit Jean-Jacques Aillagon in Hamburg dem Museum verkaufte, bereicherten die Sammlung deutscher Kunst im Centre auf spektakuläre, unübersehbare Weise. Denn oft kann ein einzelnes Werk die abgebrühtesten Vorstellungen durcheinanderbringen. Und wir waren uns alle einig, dass eine Beschriftung auf die Dauer an die Noblesse des Hamburger Sammlers erinnern sollte. Eine Reihe von hochkarätigen Geschenken kam dazu, darunter vierzig Originalcollagen für Max Ernsts Une femme 100 têtes . Bei einem Besuch in Gabriels Ermitage de Pompadour in Fontainebleau, das der Familie des Vicomte de Noailles gehörte, konnte ich zusammen mit Isabelle Monod-Fontaine und Agnès de la Beaumelle, umgeben von Bildern von Goya, Rubens, Géricault, Picasso und Balthus, die Blätter aussuchen. Sie waren völlig frisch und hatten die Mappe, in der sie seit den späten zwanziger Jahren aufbewahrt wurden, nie verlassen. Dazu legte Carlo Perrone noch eine Rarität, die großartige Fotocollage »die anatomie als braut«, die Max Ernst 1920 von Köln aus Tzara, Breton und Aragon übersandt hatte. Ein Guss von »Le roi jouant avec la reine«, den uns Dorothea Tanning und Dallas Ernst schenkten, rundete die Max-Ernst-Erwerbungen für die Wiedereröffnung ab. Dazu kam eine Rauminstallation, die ich Christo und Jeanne-Claude zusammen mit Monique, Sophie und Jérôme Seydoux und Felix und Elizabeth Rohatyn auf einer Wanderung zwischen den Teichen der Sologne abschwatzte. Mit Felix Rohatyn, dem damaligen amerikanischen Botschafter in Paris, kam eine Freundschaft zustande, die einen überaus berührenden Hintergrund hatte. Felix meinte: »Ist es nicht unerhört, dass ich, ein jüdischer Emigrant aus Wien, hier die USA vertrete und dass du, als Deutscher, dieses Juwel der Franzosen leiten darfst?« Weitere Gaben schlossen sich an, ein Polke, den Frieder Burda dem Museum übergab, Arbeiten von Josef Albers, die wir der Albers Foundation verdankten. Jeanne-Marie de Broglie und Helmut Röschinger stifteten eine große Leinwand, »Exekution« von Markus Lüpertz. Eine ganze Serie von Studien auf Papier begleitete dieses Historienbild. Drei großformatige Arbeiten schenkte uns Robert Longo. Den märchenhaften »Weltenwald« von Immendorff, in den man wie durch eine gläserne Taucherglocke einsteigen muss, verdankten wir schließlich Hans Grothes Großzügigkeit. Walter Smerling hatte sich dafür eingesetzt.
Manche Lücken ließen sich allerdings nicht schließen. Ich schlug deshalb vor, so etwas wie einen Botschafteraustausch zwischen großen Museen
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