Mein Glueck
einzuführen. Berlin, München, Stuttgart, the Art Council London und die National Gallery in Washington liehen aus ihrer Fülle Kirchner, Beckmann, Schlemmer, Rothko und Hockney. Wir konnten stolze Gegenleihgaben anbieten, die in den anderen Instituten fehlten. Ich hätte gerne gesehen, dass sich diese Praxis generell durchsetzen würde. Aber sie verlangte Verwaltungsaufwand und kam deshalb bald wieder zum Erliegen. Schade, dies hätte zu einer europäischen, ja weltweiten Zusammenarbeit großer Museen führen können. Nicht zuletzt fehlten solche Abmachungen und Verbindungen zwischen deutschen und französischen Museen. Das bedauerte wiederholt Pierre Rosenberg, ehemaliger Präsident des Louvre. Er meinte, im Grunde würde man kaum Kollegen aus Deutschland kennen. Die Ausnahmen bildeten für ihn Werner Hofmann, Margret Stuffmann und Armin Zweite. Stolz und glücklich war ich, dass es gelungen war, die Stirnwand aus dem Studiolo von André Breton, vor der sein Schreibtisch stand, unverändert ins Museum zu transferieren. Bei dieser Operation stieß ich anfangs auf Widerstand. Eine Konservatorin meinte, man sollte sich auf die Hauptstücke aus der Sammlung Breton beschränken. Doch schließlich setzte ich mich, dank der vehementen Unterstützung von Bretons Tochter, Aube Elléouët, Jean-Jacques Aillagons, Guillaume Ceruttis und Isabelle Monod-Fontaines durch. Ich glaube, dass dieser unverfälschte Blick auf den Appetit Bretons für das Verständnis des Surrealismus in Frankreich auf die Dauer ebenso wichtig sein wird, wie die »Demoiselles d’Avignon« es für die Kulturpolitik des MoMa sind. Erst nach und nach wird der Rang dieser Erwerbung sichtbar werden. Sich für bestimmte Werke einzusetzen gehört zur Kulturpolitik des Museums. Ich bin überzeugt, die großen Museen schaffen erst die großen Werke. Die Hängung der Abteilung im fünften Stock des Hauses, die die Klassische Moderne präsentierte, übernahm ich selbst, beraten von den Konservatoren, die die Sammlung im Detail kannten. Die vierte Etage war der zeitgenössischen Kunst gewidmet. Hier intervenierte ich nur stellenweise und überließ die Präsentation weitgehend Catherine Grenier und den Kollegen, die für die Abteilungen Design und Architektur zuständig waren. Immer wieder tauchten wir in die Depots des Museums ein und suchten nach Vergessenem und Übersehenem. Das war eine einmalige Chance, die riesige, mehr als vierzigtausend Arbeiten umfassende Sammlung zumindest teilweise kennenzulernen. Man hatte uns große Modelle von den Räumen des künftigen Museums angefertigt, und alle Ausstellungsstücke, die in die engere Auswahl gekommen waren, standen in maßstabgerechter Dimension zur Verfügung. Täglich spielte ich hier, hängte um, erprobte neue Wirkungen. Und der Besuch dieses Puppenheims lockte Freunde und Besucher an. Sie liebten diese Welt in der Welt. Die Ministerin und die Delegierten des Kulturministeriums waren dabei zwar auf der einen Seite überrascht von der Fülle und vom Reichtum der Sammlung, fragten jedoch auch ängstlich, ob ich nicht mehr Werke der »École de Paris« zeigen könnte. Das war nicht meine Absicht. Mit Karl Lagerfeld und einigen seiner Freunde führte ich lange Gespräche, und nicht zuletzt mit Pierre Bergé, der mir beim gemeinsamen Besuch der fertigen Hängung zusammen mit Yves Saint Laurent das Kompliment machte, so könne nur noch ein William Rubin ein Museum gestalten.
Werner Spies und Jörg Immendorff
Die Wiedereröffnung des Hauses am 1. Januar 2000 war ein überwältigender Erfolg. Glenn Lowry und Kirk Varnedoe, die damals die Neuordnung des MoMa vorbereiteten, meinten übereinstimmend, sie hätten nicht im Traum daran gedacht, dass unsere Sammlung sogar ihrem Museum Konkurrenz machen könne. Die Erweiterung der Ausstellungsfläche auf vierzehntausend Quadratmeter ließ es zu, wesentlich mehr Werke als bisher zu präsentieren. Doch trotz dieser Vergrößerung und der damit verbundenen neuen Möglichkeiten kam es zu Konflikten. Ich war strikt dagegen, alles wie in einer Wunderkammer aufzuhäufen. Für mich bedeutete Hängen in erster Linie auch Mut zum Abhängen. Ich bezog mich dabei auf eine Bemerkung von Henri Michaux. In Passages schreibt er: »Man kann nicht zu mehr als zwanzig in einem Jahrhundert leben. Daher rühren die großen Dispute, in denen es ›um Berühmtheit‹ geht.« Und an diesen Grundsatz habe ich mich bis heute zu halten versucht. Die Fehlstellen einer Sammlung, die sichtbar werden,
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