Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
genauso alt wie ich.«
Verdammt! Warum hatte Wanda nur ihren Schnabel nicht halten können? »Oh«, stammelte sie. »Ich meinte … du siehst noch so jung aus.« Bravo, Wanda . Jetzt hast du gleich noch eins draufgesetzt und ihm untergejubelt, dass seine Ex alt aussieht. Hornalt. Aber vielleicht machte er sich ja gar nichts mehr aus ihr? Doch das war unwahrscheinlich, so, wie er eben »ist es immer noch nicht« gesagt hatte … Vielleicht hatten sie sich ja aber auch getrennt, weil er so jung aussah? Wie alt war er denn dann eigentlich? Gott, war das verwirrend.
»Ich bin dreiundfünfzig.« Kai konnte offenbar Gedanken lesen.
»Nein!«
»Doch.«
»Hätte ich nie gedacht.« Das stimmte. Und in irgendeiner Ecke ihres Gehirns stellte Wanda befriedigt fest, dass der Altersunterschied zwischen ihnen beiden dann ja gar nicht so groß war. Zehn Jahre, was war das schon? Gab doch viele Frauen, die sich jüngere Männer suchten. Demi Dingsbums, wie hieß sie doch gleich, ach halt, das war ja gerade gescheitert, dann also zum Beispiel … Zsa Zsa Gabor? Lebte die überhaupt noch? Madonna lebte noch. Aber die war auch von ihrem jungen Mann geschieden worden. Es war ja auch egal. Was hing sie hier eigentlich für unmöglichen, unrealistischen Gedanken nach? Na toll, jetzt hatte sie nicht mitbekommen, was Kai sie gefragt hatte.
»Wie bitte?«, fragte Wanda verlegen.
»Was du noch für Marketing machen willst.«
»Wir sind bei Facebook«, platzte Wanda heraus. »Und in den nächsten zwei Wochen können Rentner kostenlos rein. Bis sie dann hoffentlich Mitglied werden wollen. Und außerdem machen wir bei einem Wettbewerb mit, da können die Leute abstimmen, welcher Fitnessklub ihnen am besten gefällt, man kann 20 000 Euro gewinnen, da wäre Stefan aus dem Schneider.«
»Mein Gott, Wanda!« Kai blieb stehen. »Das hast du alles in dieser kurzen Zeit angekurbelt? Du bist ja unglaublich. So viel Tatendrang in so einer zierlichen Frau!« Er wirkte ausgesprochen beeindruckt. Und er fand sie zierlich! Es war das erste Mal seit, ach seit Ewigkeiten, dass überhaupt jemand wieder wahrnahm, dass sie eine Figur hatte, ob nun zierlich wie eine Elfe oder unförmig wie ein Troll. Wanda merkte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Zum Glück waren sie bei der Schwanenapotheke angekommen. Durch die Scheibe konnte sie jetzt Kais Ex sehen. Und auch, wie deren Augen aufleuchteten, als sie Kai erkannte.
»Na klar können Sie Ihr Plakat hier aufhängen, Frau Rosemann, kein Problem. Das ist doch gut, wenn die alten Leutchen noch Sport machen.« Die Apothekerin Frau Wienert strahlte dabei Kai an. Mit ihrem weißen Kittel wirkte sie so adrett, so sauber und gepflegt, ein Eindruck, der durch eine Galerie teurer Hautcremes hinter Glas und ein Plakat mit dem Bild von frischer Zitronenmelisse und gesunden Zähnen noch verstärkt wurde.
Die alten Leutchen. Wanda fühlte einen kleinen Stich, dass sie vor Kai als schwaches Omachen abqualifiziert worden war. Normalerweise fand Wanda ihre silbrigen Haarsträhnen elegant, im Spiegelglas der Apotheke wirkten sie plötzlich schmutzig grau und stumpf wie Taubenfedern, und zu allem Überfluss ließ das grünliche T-Shirt ihre Haut fahl wie bei einer chronisch Kranken wirken. Und um noch eins draufzusetzen, fragte die Apothekerin jetzt: »Haben Sie noch Hühneraugenpflaster zu Hause, Frau Rosemann, oder wollen Sie gleich welche mitnehmen?«
»Danke«, krächzte Wanda. »Hab noch.« Gnädigerweise klingelte ihr Handy. War das wieder Stefan? Nein, es war Franziskas Nummer. »Ja?«
»Hallo. Na, wie geht’s?«
»Gut«, antwortete Wanda verblüfft. Franziska rief nie tagsüber an. Nie! Und schon gar nicht, um zu plaudern.
»Du bist wohl gar nicht im Herkules ?«
»Nein, ich bin gerade in der Apotheke.«
»Bist du krank?«
»Auf Kundenfang.«
»Was?«
»Lange Geschichte. Was ist denn? Ist irgendwas?«
»Ich … ich wollte nur fragen, ob ich heute noch mal vorbeikommen soll. Ob du noch mehr Hilfe brauchst?«
»Ihr wollt noch mal kommen? Das könnt ihr gern machen. Ich kann immer Hilfe gebrauchen. Die Duschen tröpfeln manchmal nur, da stimmt irgendwas mit dem Wasserdruck nicht richtig, vielleicht kann sich der Norbert das mal ansehen?«
»Norbert hat keine Ahnung von so was«, schnappte Franziska. »Der hat zwei linke Hände. Und im Übrigen wollte ich alleine kommen.«
»Ja, natürlich, komm ruhig.« Wanda klappte das Handy zu. Nanu? Was war denn das eben? Hing der Haussegen bei Franziska
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