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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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schief? Die beiden wohnten ja noch nicht mal zusammen.
    »Komm doch heute Abend mal wieder vorbei. Ich koch uns was Schönes.« Eine gurrende Stimme riss Wanda aus ihren Gedanken. Frau Wienert, die Apothekerin, zupfte Kai spielerisch am Ärmel. Überhaupt benahm sie sich ganz und gar nicht wie sonst – die schwarzen Haare straff zum Dutt geklemmt, weißer Kittel, Nebenwirkungen rezitierend –, sondern wie eine liebestolle Nymphe. Gleich würde sie ihr Haar lösen. Kai blieb davon jedoch völlig unbeeindruckt. Interessant.
    Auf dem Rückweg vermied Wanda es, Kai weiter nach seiner Ex auszufragen, es war offensichtlich, dass ihm das Thema unangenehm war, weil sie noch an ihm hing wie eine Klette. Das hatte er also gemeint. Außerdem klingelte schon wieder das Telefon. Biggi hatte erfolgreich Plakate in der Sparkasse und im Café Roswitha aufgehängt. Letzteres war eine Art Szenetreff für Senioren des Viertels, in dem Wanda lebte. Biggi war ein Schatz. Ein zwar seltsam gekleideter, alberner und mannstoller, aber auch einmaliger, unersetzbarer und gute Laune verbreitender Schatz. Was hatte Wanda nur für prächtige Freundinnen! Als sie die Tür zum Herkules aufstieß, war von Marianne allerdings nicht viel zu sehen. Dafür beugte sich Ritschie über die Kasse. Wandas Herz fing wild an zu klopfen. Bediente der sich etwa selbst? Am helllichten Tag? Sie war mit drei Schritten bei ihm. Er sah ertappt hoch. Jetzt erst bemerkte sie, dass er sich gar nicht über die Kasse gebeugt hatte, sondern über den Kuchenteller daneben. An seinem Mund hingen lauter Krümel, die Augen huschten nervös nach links und rechts.
    Wanda litt zwar unter extremer Kurzsichtigkeit, aber das hier hätte sie auch ohne Brille erkannt:
    Das Blech war leer.

13   Von jetzt an wird gelebt
    Normalerweise rief Biggi ständig an oder flatterte im Herkules herum, doch auf einmal war sie wie vom Erdboden verschluckt. Wanda fing an, sich Sorgen zu machen. Was war mit Biggi und Benno? Hatte dieser Mistkerl wieder ihr Herz gebrochen? War er vielleicht in Wahrheit verheiratet und suchte bei alten Jugendlieben nur einen Kick? An die kam man leichter heran als an fremde Frauen. Es passierten ja die unmöglichsten Sachen, und Wanda war im Laufe der Jahre zu der Erkenntnis gelangt, dass sie nichts mehr überraschen konnte. Als Biggi zum wiederholten Male nicht ans Telefon ging, schaute Wanda am Mittwoch nach Feierabend einfach bei ihr vorbei.
    Zu ihrer Überraschung öffnete diese sofort die Tür. Sie sah entsetzlich aus: bleich, verheult, in einen hellblauen Bademantel gehüllt, den vorn ein großer roter Fleck zierte. Rotwein, wie Wanda sofort erschnüffelte, denn von Biggi ging ein schaler Geruch nach Alkohol aus und hinter ihr im Wohnzimmer konnte Wanda zwei fast leere Flaschen auf dem kleinen Couchtisch stehen sehen.
    »Um Himmels willen, Biggi, was ist denn los?« Wanda quetschte sich an ihrer Freundin vorbei, die wie ein Denkmal in ihrem eigenen Flur herumstand und Wanda mit glasigem Blick ansah. »Bist du krank? Was ist denn? Hat Benno dich abblitzen lassen? Oder hat er sich nicht wieder gemeldet?« Sie hatte es doch geahnt, verdammt noch mal!
    »Benno …«, sagte Biggi und stockte. Sie sah Wanda mit einem ganz merkwürdigen Gesichtsausdruck an. »Der …«
    »Was denn? Biggi, vergiss ihn. Er ist es nicht wert, okay? Bist lange genug ohne ihn klargekommen, da wirst du ihm jetzt keine Träne hinterherweinen und …«
    »Der Benno ist gestorben.«
    »Was?« Wanda hielt inne und ließ ihre Hand sinken, mit der sie Biggi gerade hatte rütteln wollen. »Was?« Ein Rauschen setzte in ihren Ohren ein. »Was sagst du da?«
    »Ich … ich wollte ihn doch hinhalten und zappeln lassen, aber ich hab’s nicht ausgehalten, und dann hab ich ihn heute doch angerufen, aber er ist nicht drangegangen. Also hab ich gedacht, vergiss es, Biggi, der will nichts von dir, aber dann bin ich doch wenigstens mal durch seine Straße, und ich dachte, vielleicht sehe ich ihn ja, vielleicht ist er ja doch verheiratet, was weiß ich, und als ich da ankam … da hab ich schon den Krankenwagen gesehen und den Menschenauflauf.« Sie fing an zu zittern. »Er ist einfach nach unserem gemeinsamen Abend eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Warum denn nur, Wanda?«
    Wanda setzte sich wie ferngesteuert auf Biggis unaufgeräumte Couch, auf der diese offenbar die letzten zwei Tage verbracht hatte. Überall lagen zerknüllte Papiertaschentücher herum. »Ich weiß nicht«, sagte sie

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