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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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machte, zum Gästeklo vorzudringen, in Katis ehemaligem Zimmer lagerten mehrere Zwergenfamilien wie illegale Immigranten, überall im Haus und hinter jeder Ecke warteten Zwerge mit ihren Schubkarren und Bänken, Angeln, Sägen, Rasenmähern und Rauschebärten. Den Entblößerzwerg, ein Unikat, hatte Marianne gleich in die Speisekammer verbannt. Wanda hatte Günther noch gar nicht zu Gesicht bekommen, wahrscheinlich versteckte er sich wieder auf dem Dachboden.
    Marianne strich dem Zwerg neben ihr trotzig über den Kopf. »Und außerdem, ich finde die sehr geschmackvoll, das ist Qualitätsarbeit. Der hier, seht mal, der hat richtige Muskeln.« In der Tat – das Exemplar trug ein Muskelshirt und stützte sich auf eine Schaufel. Er erinnerte Wanda mit seinem hinterhältigen Grinsen an Ritschie, und Biggi schien offenbar Ähnliches zu denken.
    »Der sieht aus, als ob er ins Herkules will.« Sie tätschelte dem Zwerg die Wange. »Das wär’s doch – den stellen wir als Schmuck vor die Tür. Oder noch besser – hinten in den Hof zu den Motorrädern!«
    »Na hör mal.« Wanda fand, dass Biggi manchmal einen merkwürdigen Humor hatte. »Da mache ich mich aber bei den jungen Männern beliebt.«
    »Wieso denn?« Biggi war plötzlich ganz aufgeregt. »Zwerge sind Kult! Wir stecken dem ein Schild mit den Öffnungszeiten in die Hand und stellen ihn draußen auf die Straße. Das ist Werbung.«
    »Ich leih ihn dir gerne«, sagte Marianne. »Einer weniger, der hier rumsteht.«
    Jetzt hatte Wanda genug. »Ich stelle doch keinen Gartenzwerg vor den Fitnessklub, seid ihr verrückt geworden? Der Stefan bringt mich um. Das ist doch keine Kleingartenanlage.«
    »Ich leihe ihn dir gern, wie gesagt. Der ist doch niedlich.« Marianne wischte dem Zwerg einen unsichtbaren Fleck von der Stirn. Dann räusperte sie sich. »Aber um noch mal drauf zurückzukommen – was hat Kai denn nun gemacht?«
    »Keine Ahnung.« Wanda biss sich auf die Unterlippe. »Ich bin sofort geflüchtet. Was gab es da schon groß zu sagen? Die Frau will ihn zurück, die kämpft mit allen Mitteln.«
    »Und ihr habt noch nicht wieder miteinander gesprochen?« Biggi konnte es gar nicht glauben. »Warum rufst du ihn nicht an?«
    Kai hatte ja angerufen. Allein heute Morgen schon viermal. Aber Wanda war nicht ans Telefon gegangen. Es war ihr einfach peinlich. »Ich habe das Gefühl, die beiden sind noch nicht ganz fertig miteinander«, sagte sie. Kai hatte ihr mehrere Nachrichten aufs Band gesprochen und bei einer, das hätte Wanda schwören können, hatte eine Frau im Hintergrund gehustet. Also ging sie davon aus, dass seine Ex über Nacht bei ihm geblieben war, und garantiert hatten die beiden nicht nur Händchen gehalten.
    »Na, sie auf alle Fälle nicht.« Biggi lachte kurz auf. »Aber er?« Sie stellte ihre Kaffeetasse ab.
    »Der sucht eine Zwischenfrau«, meldete Marianne sich unvermittelt. »Glaub’s mir. Das ging meiner Cousine auch so. Alle Männer, die sie nach ihrer Scheidung kennenlernte, hatten sich gerade frisch getrennt, sie hat sie getröstet und wieder aufgerichtet, und dann sind sie auf und davon. Entweder zurück zu ihrer Frau oder zu einer neuen. Mit der wurde es dann immer was Festes. Ich garantiere dir, du willst nicht die Zwischenfrau sein. Halte dich fern von Männern, die sich gerade frisch getrennt haben.«
    »Sie sind ja rein theoretisch sogar noch verheiratet«, murmelte Wanda.
    »Was macht deine Cousine jetzt?«, erkundigte sich Biggi.
    »Sie kümmert sich um streunende Katzen. Die sind dankbarer, meint sie, und trinken ihr nicht den ganzen Wein weg.«
    Eine Weile schwiegen sie.
    »Tigerchen!« So langgezogen, wie Biggi das Wort aussprach, klang es noch affiger. »Hat man so was Dämliches schon mal gehört? Ich glaube, ich kann dem Kai nie wieder in die Augen gucken.«
    »Wieso?«, fragte Marianne in aller Unschuld. »Hattet ihr keine Kosenamen für eure Männer? Also den Günther nenne ich immer …«
    »Wir werden ja sehen«, ging Wanda hastig dazwischen, »wie die Sache ausgeht. Er wird ja heute ins Herkules kommen, schließlich soll er den Kurs machen.« Leider. Wanda hätte am liebsten keinen Fuß mehr in das Herkules gesetzt. Wie sollte sie sich denn jetzt Kai gegenüber verhalten? Und ausgerechnet heute flog Bertram nach Australien. Sie hätte doch mitfliegen sollen, dann wäre ihr das alles hier erspart geblieben. Stattdessen würde sie alleine zu Hause sitzen und immer wieder den unseligen gestrigen Abend in Gedanken durchgehen.

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