Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
der Wein kam, sprach Kai weiter. »Es ging vor zwei Jahren los. Da wurde sie so unzufrieden. Ich war ihr zu ungebildet, zu sportbesessen, zu … ich weiß auch nicht. Dabei hat sie das früher nie gestört. Im Gegenteil. Es hat sie angetörnt, als wir damals geheiratet haben. Ihren snobistischen Eltern konnte sie damit eins auswischen. Die Tochter vom Oberarzt heiratet einen Kfz-Schlosser, großer Skandal.« Er trank ein halbes Glas Wein auf einen Schluck aus. »Und dann ist sie auf einmal genauso geworden wie ihre Eltern. Ist das nicht komisch?« Er sah Wanda an. »Irgendwann werden wir alle wie unsere Eltern, egal, wie sehr wir uns dagegen sträuben.«
»Und da hat sie dich verlassen?«
Er nickte. »Sie hatte einen andern. Unseren Zahnarzt. Kannst du dir was Unerotischeres vorstellen?« Er knallte das unschuldige Glas auf den Tisch, nur um gleich wieder danach zu greifen. »Wie kann man überhaupt flirten, wenn man den Mund sperrangelweit aufhat und jemand mit Bohrern darin herumfuhrwerkt?«
Wanda nickte mitfühlend. Trotzdem musste sie sofort an Biggi und ihre Zahnschmerzen denken. Aber in einem Moment wie diesem nachzufragen, ob der lüsterne Zahnarzt neue Patienten annahm, war wahrscheinlich unpassend. Und dann auch noch Biggi. Wanda trank einen Schluck. Und überhaupt, warum redete er dauernd von seiner Ex? Die Vorstellung, dass die blasierte Apothekerin noch bis vor kurzem diesen netten Mann den ganzen Tag um sich herum gehabt und nicht zu schätzen gewusst hatte, regte Wanda auf.
»Dabei habe ich sie so geliebt«, fuhr Kai fort. »Aber sie ist gegangen. Eiskalt. Doch dann hat der feine Herr sie fallengelassen. Ihm war sie plötzlich zu alt. Und seitdem versucht sie alles, um mich wieder zurückzuerobern. Auf einmal bin ich wieder interessant. Und plötzlich passieren die seltsamsten Sachen. Sie hat noch ihren Schlüssel und manchmal, wenn ich nach Hause komme, hat sie heimlich was zu essen gemacht. Oder mir Zettelchen hingelegt. Mit Hinweisen, dass sie an dem Abend ins Kino geht oder so. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass ich dann auch dort auftauche. Das hat sie früher nie gemacht.« Er lachte, aber es klang ein bisschen gezwungen. »Und du? Was macht dein Ex? Ist der Landwirt oder so?«
»Was?«, fragte Wanda schockiert. Sah sie etwa aus wie eine Bauersfrau?
»Wegen der Maul- und Klauenseuche.«
»Nein, nein. Wolfgang war technischer Zeichner. Er wollte Architekt werden, aber daraus ist nie was geworden.« Am Eingang wurden Stimmen laut. Wanda erkannte einen kleinen, dunkelhäutigen Mann, der offenbar hereinwollte und der Kellnerin verzweifelt einen großen Strauß Rosen entgegenhielt. Sie sah wieder zu Kai. »Und wir haben uns einfach auseinandergelebt. Nicht mal gestritten oder so, wir sind bloß immer schweigsamer geworden. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass wir drei Tage lang überhaupt nicht miteinander geredet hatten, jeder hat stumm vor sich hin gekramt.« In diesem Augenblick, als sie so nüchtern das Scheitern ihrer Ehe vor Kai ausbreitete, wünschte sie sich fast, ihre Ehe wäre dramatischer zu Ende gegangen. Dass einer von ihnen beiden gekämpft hätte. Aber da war von Anfang an keine Leidenschaft gewesen, nur Vernunft. Und wo Vernunft waltete, flogen weder Bettfedern noch die Fetzen. Nie wieder vernünftig sein, schwor sich Wanda. »Das kann es doch nicht gewesen sein«, fügte sie hinzu. Dem kleinen Mann war es jetzt gelungen, das Café zu betreten, er huschte zu einem Tisch und hielt dem dort sitzenden Paar eine seiner Rosen vor die Nase.
»Hey!«, rief die Kellnerin. »Hören Sie schwer? Hier wird nichts verkauft!«
»Siehst du das?«, fragte Wanda empört. »Warum lassen sie den armen Kerl denn nicht rein?«
Kai antwortete nicht. Stattdessen stand er auf und rief quer durch den Raum: »Ich würde gern eine Rose von dem Herrn kaufen!«
Die Kellnerin verstummte überrascht, und der kleine Mann eilte wieselflink zu Wandas Tisch. »Nur eine Euro fünfezig«, rief er. »Und die zwei Rose nur zwei Euro und fünfezig.«
Es waren mindestens dreißig Stück, und aus der Nähe bemerkte Wanda auch, dass die Rosen bereits halb ohnmächtig in ihrer Zellophanpackung hingen und den Abend kaum überleben würden. Und was würde der gehetzte kleine Mann dann tun?
Die Kellnerin näherte sich wie ein wutschäumendes Nashorn, aber ehe Wanda noch etwas sagen oder tun konnte, hatte Kai dem Verkäufer die Rosen abgenommen. »Ich kaufe sie alle«, sagte er und drückte dem verdutzten Mann einen
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