Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
Geldschein in die Hand. »So, und jetzt verkauft er nichts mehr, da können Sie ihn ja auch in Ruhe lassen, oder?«, wandte er sich dann an die Kellnerin.
Die gab sich einen Ruck. »Haben Sie noch einen Wunsch?«, flötete sie, wobei sie sich bemühte, nicht in Richtung des kleinen Mannes zu blicken, der fassungslos den Geldschein in den Händen drehte.
»Eine Vase.« Kai drückte Wanda die Rosen in die Arme. »Vielleicht können wir die Dinger ja wieder auferstehen lassen. Neben dir wirken die richtig leblos.«
Der Rosenverkäufer stieß ein paar dankbare Geräusche in einer unbekannten Sprache aus und machte sich schleunigst aus dem Staub.
Kai setzte sich wieder und beugte sich über den Tisch zu Wanda hinüber.
»Und um auf deine Frage zurückzukommen – nein, Wanda, das ist es noch nicht gewesen.« Er griff nach ihrer Hand, die immer noch den Rosenstrauß umklammerte. »Und für jemanden wie dich schon gar nicht. Du hast was Besseres verdient.«
Meinte er sich selbst? Wanda wusste nicht so richtig, ob sie sich darüber freuen sollte oder ob er ihr Angst machte. Sie legte die Blumen auf den Tisch. Der süße Rosenduft betäubte sie fast, und draußen vor dem Fenster rannte der kleine Mann vorbei und schenkte ihnen ein letztes euphorisches und zahnloses Lächeln. Solche Männer wie Kai gab es nur selten. So gutmütig und hilfsbereit. Jetzt streichelte er ihren kleinen Finger, und vor lauter Aufregung kippte auch sie ihren Wein viel zu schnell hinunter. Der Abend steuerte auf ein Ziel zu, das ihr trotz aller geheimer Phantasien nicht geheuer war. Sie trank vor lauter Verlegenheit noch einen Schluck. Ein Handy klingelte, und es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass es ihr eigenes war. Sie verzog entschuldigend den Mund, aber eigentlich war sie froh über die Unterbrechung. »Hallo?«
»Hier ist Otto«, brüllte es am anderen Ende.
»Otto Gilder?«, fragte sie überrascht.
»Habe mir dein Anliegen gleich zu Herzen genommen und dort mal vorbeigeschaut«, schrie Otto Gilder so laut, dass Wanda das Handy ein Stück vom Ohr weghielt und Kai von dem Geschrei aus seinen sentimentalen Erinnerungen aufgeschreckt wurde.
»Die Preise sind nichtssagend.« Otto Gilder schien mit jedem Wort lauter zu werden. »Nichts von Qualität. Wasserflaschen, Solarium-Gutscheine, Schlüsselanhänger. Der Hauptpreis ist eine freie Mitgliedschaft für sechs Monate, danach …«
»… muss man voll bezahlen«, vollendete Wanda den Satz. Das war ja nichts Neues.
»Wie ich bereits sagte«, schrie Herr Gilder. »Nichts, was mich reizen würde. Nichts für den Garten oder so, womit ich was anfangen könnte. Da bleibe ich doch lieber bei meinem Studio Herkules , was? Macht der nette junge Mann bald wieder so einen Sportkurs? Dem du das Auge rausgeschlagen hast?«
»Bestimmt macht er das«, schrie Wanda zurück, dass die Leute am Nachbartisch zusammenzuckten. »Und das Auge ist noch drin. Danke, Otto!«
Nichts für den Garten, hatte Herr Gilder gesagt. Das erinnerte Wanda an etwas, was war es nur? Irgendetwas, das ihr jemand kürzlich erzählt hatte … Zwecklos. Der Gedanke war so schnell wieder verschwunden, wie er aufgeblitzt war.
»Noch ein zweites Glas Wein?«, fragte Kai.
Schon lange hatte Wanda niemand mehr so angesehen. Er wollte sie. Sie war dreiundsechzig. Worauf wartete sie eigentlich noch? Sie wollte doch nicht mehr warten. Oder vernünftig sein. »Absolut«, sagte sie mit fester Stimme.
Es wurden zwei Flaschen Wein, und danach fiel ihr die Entscheidung gar nicht mehr schwer. Lächerlich, dass sie früher am Abend überhaupt darüber nachgegrübelt hatte. Dabei gefiel er ihr doch so. Natürlich würde sie mit in Kais Wohnung kommen, er würde ihr vielleicht noch einen Kaffee anbieten oder auch nicht, vielleicht sparten sie sich auch diese überflüssigen Paarungsrituale und kamen gleich zur Sache. Als Wanda mit Kai das Café verließ, legte er wie selbstverständlich den Arm um sie, Wanda trug die Rosen. Kurz sah sie Bertrams bekümmertes Gesicht vor sich, unter Umständen war er noch wach und packte gerade die letzte Tube Sonnenschutz in den Koffer. Am nächsten Tag ging sein Flug. Sie wischte den Gedanken beiseite, sie wollte jetzt nicht an ihn denken und auch nicht daran, wie sie am nächsten Morgen aussehen würde, so ganz ohne ihre Spezialnachtcreme mit Tiefenwirkung. Sie war Frühaufsteher und würde sich einfach morgens um 5.00 Uhr aus dem Haus schleichen – oder doch schon in der Nacht? Schräg
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