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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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gegenüber von Kais Wohnhaus befand sich ein Taxistand, das war ja schon mal beruhigend zu wissen.
    Kai öffnete im Dämmerlicht des Treppenhauses seine Wohnungstür. Er stutzte einen Moment. »Hab ich vorhin gar nicht abgeschlossen?«, murmelte er.
    Wanda folgte ihm in den dunklen Flur und stieß mit dem Knie gegen ein wackeliges Schuhregal. Die ganze obere Reihe Schuhe fiel laut polternd auf den Boden.
    »Ups.« Sie hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund, denn bei den Nachbarn rief jemand hinter der Tür: »Ruhe da draußen, verdammt noch mal!« Kai grinste und legte den Zeigefinger auf den Mund. »Komm rein«, sagte er leise, dann stieß er mit dem Fuß die Tür zu und presste Wanda ohne Vorwarnung im Flur an sich, schmiss die Rosen auf den Fußboden, küsste ihren Hals, Mund, murmelte irgendetwas und zerrte ungeduldig an ihrem Mantel.
    Wie auf Befehl meldete sich Wandas Blase. Wahrscheinlich vor Panik. Sie war doch total aus der Übung, die letzte deprimierende Fummelei mit Wolfgang lag Jahre zurück. Jahre! »Ich …«, sie schnappte kurz nach Luft«, »ich muss mal kurz … warte doch mal.«
    Er ließ sie los. »Bad ist da hinten«, flüsterte er. »Aber mach schnell.«
    Wanda nickte, der Kloß in ihrem Hals wurde immer größer. Sie tappte durch den Korridor, wo war eigentlich der Lichtschalter und warum hatte sie aus Eitelkeit ihre verdammte Brille zu Hause gelassen? Sie war genauso schlimm wie Biggi! Wanda stand vor zwei Türen. Und welche war nun das Bad? Sie drehte sich um, aber Kai war offenbar ins Wohnzimmer verschwunden, denn von dort erklang leise Musik.
    Sie öffnete die rechte Tür und tastete suchend mit ihrer Hand die Wand nach einem Lichtschalter ab. Es roch nicht wie Bad, es roch durchdringend nach dem Parfum Opium.
    »Da bist du ja endlich, mein Tigerchen«, sagte eine Stimme im Dunkeln.
    Wanda griff erschrocken nach dem Türrahmen und erwischte dabei offenbar den Lichtschalter, denn auf einmal war das Zimmer in helles Licht getaucht. Es war das Schlafzimmer. Und auf der dunkelblauen Samtdecke des Bettes räkelte sich eine nackte Frau. Die Apothekerin. Ihre Apothekerin. Kais Exfrau.

18   Dead or alive
    »Und dann?« Biggi und Marianne hingen an Wandas Lippen, wobei Mariannes Gesicht von echtem Horror gezeichnet und Biggis Ausdruck in Erwartung skandalöser Details genüsslich gespannt war. Wanda ließ sich eine Sekunde Zeit, nippte an ihrem Tee und ließ den Blick zum wiederholten Male entgeistert durch Mariannes kleines Wohnzimmer schweifen.
    »Nichts dann. Dann habe ich ›Guten Abend‹ gesagt und bin gegangen.«
    »Oh. Mein. Gott.« Marianne stieß jedes Wort in einer Art Schnappatmung aus. »Du hast ihr noch einen guten Abend gewünscht?«
    »Wie sah sie denn ohne Klamotten aus?«, fragte Biggi dazwischen. Gut gelaunt ließ sie sich in die Sofakissen fallen.
    »Das ist doch jetzt egal, wie sie aussah.« Marianne winkte ungeduldig ab.
    »Soll ich ihr vielleicht keinen guten Abend wünschen? Ich kenne die Frau doch, aus der Apotheke. Da kann ich doch nicht plötzlich so tun, als hätte ich sie noch nie gesehen!«
    »Was hat sie denn gesagt, als du auf einmal in der Tür standest?« Marianne schüttelte sich. »Allein der Gedanke, also ich würde sterben, ehrlich.«
    »Sie hat …« Wanda erinnerte sich nur ungern an den fassungslosen Gesichtsausdruck von Frau Wienert, die sich mit ihren offenen schwarzen Haaren wie eine verirrte Indianerbraut im Bett aufgerichtet hatte. »Sie hat etwas hilflos ›Kai?‹ gerufen.«
    »Und er? Was hat er gemacht?« Biggi beugte sich begeistert nach vorn und stieß dabei aus Versehen an den gigantischen Gartenzwerg, der rechts von ihr auf einer fast ebenso großen Schnecke ritt.
    »Pass auf«, schnappte Marianne. »Wenn die kaputtgehen, kann ich sie erst recht nicht mehr verkaufen.« Nervös schaute sie sich in ihrem Wohnzimmer um.
    »Marianne, du kannst die Dinger ohnehin nicht mehr verkaufen. Die sind abartig groß. Wer stellt sich denn so was in den Garten?« Biggi tippte voller Abscheu gegen den Zwerg zu ihrer Linken, der unter einem Fliegenpilz faulenzte und spitzbübisch ein Auge zukniff. »Der hier jagt mir richtige Angst ein. Als ob der einen beobachtet. Wie ein perverser Zehnjähriger.«
    »Ich kann’s nicht ändern.« Marianne stand auf und schob den Zwerg ein Stück zurück an die Wand, ordentlich in eine Reihe mit den anderen, die bereits geduldig dort ausharrten. Im Flur stand ebenfalls eine lange Schlange Zwerge, was es schwierig

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