Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
unglücklich zu machen? Einen Menschen, der sich schon beim Anblick eines Blechs Streuselkuchen vor Freude überschlug.
»Zu Hause sitze ich ja doch nur herum und heule, seit …« Ihre Augen wurden verdächtig glasig. »Seit sie uns die Wohnung gekündigt haben.«
»Ach, das tut mir leid.« Wanda versuchte ihre Überraschung zu verbergen. »Wieso denn das?«
»Eigenbedarf. Der Vermieter braucht die Wohnung für seine Tochter, die will in Köln studieren. Das ist ein gefundenes Fressen für den, der hasst unsere Katze. Dabei steht im Mietvertrag, dass Haustiere erlaubt sind.« Sie verzog den Mund. »Zierfische wären ihm wahrscheinlich lieber.«
»Wie heißt der Vermieter denn?«, fragte eine Stimme von links. Hajo.
»Was?« Natalie schniefte. »Korratscheck. Bestimmt will er die Wohnung einfach nur teurer vermieten. Ist doch immer dasselbe. Mit uns können sie’s ja machen. Jetzt auf die Schnelle finden wir natürlich nichts, was so günstig ist, das heißt, wir müssen entweder woanders eine Horrormiete zahlen, oder zu meinen Eltern ziehen. Meine Mum hasst Ritschie.«
Wanda fühlte sich Natalies Mutter sofort aufs Herzlichste verbunden. Allerdings half das Natalie auch nicht weiter.
»Na ja, und umgekehrt ist es auch nicht besser, und den Korratscheck will Ritschie am liebsten verprügeln«, brach es aus Natalie heraus. »Damit macht er doch alles nur noch schlimmer.«
»Auf jeden Fall«, sagte Wanda erschrocken. Vor ihrem geistigen Auge erschien Ritschie, der mit einer Hantel bewaffnet auf einen hilflos strauchelnden Mann mit Frettchengesicht und Aktenmappe losging und wie mit einem Fleischklopfer auf ihn einschlug. Sie schüttelte den Kopf und schaute kurz zu Hajo, doch der starrte Natalie an und schien über irgendetwas nachzudenken.
»Warum wollen Sie eigentlich wissen, wie der heißt, kennen Sie den?«, fragte Natalie.
»Weil ich«, hier sah Hajo sich rasch um, denn seine Frau Lilo näherte sich mit energischen kleinen Stakkato-Schritten, »weil ich in meinem Berufsleben mit, nun sagen wir, mit ähnlichen Sachen zu tun hatte.« Sein Gesicht bekam einen sehnsüchtigen Ausdruck. »Die Ruhe in meinem Büro war unbeschreiblich. Das habe ich damals gar nicht zu schätzen gewusst. Unbeschreiblich. Und jetzt entschuldigt mich.« Mit diesen Worten zog er hastig ein paar winzige Ohrstöpsel aus seiner Jackentasche, sie waren durchsichtig und verschwanden förmlich in seinen Ohren. »Hat mir der junge Mann da empfohlen«, flüsterte er und zeigte auf Matti, der auf einem Fahrrad einen unsichtbaren Berg hochstrampelte. »Wirkt hervorragend. Im Moment höre ich ein Hörbuch. Rebecca von Daphne du Maurier.« Er zwinkerte ihnen verschwörerisch zu, denn in diesem Moment trat seine Frau Lilo neben ihn.
»Da bist du ja, Hajo, da kann ich dich ja lange suchen, erst wolltest du nicht hierher und jetzt bekomme ich dich kaum noch zu sehen, wir haben doch Schuberts versprochen, dass wir noch mal vorbeikommen, du weißt doch, die Eva ist doch auf der Arbeit mit der Frau vom Harry zusammen, mit der Carola, der Harry mit dem dicken BMW , erinnerst du dich?« Sie holte Luft, ein Zeichen für Hajo, interessiert zu nicken.
»Nein, halt, die heißt nicht Carola, ich bringe die immer durcheinander, Carola war doch die Cousine von der Frau Dingenskirchen unten aus dem Parterre, aber wie die Frau vom Harry heißt, da komm ich jetzt nicht drauf, ich …«
»Rebecca?«, schlug Wanda vor. Sie konnte einfach nicht anders.
Hajo nickte erneut, und Natalie prustete los. Wanda freute sich, dass die junge Frau wieder lachte.
»Nein, Rebecca war’s nicht«, entgegnete Lilo irritiert. »Es war nicht so was Exotisches.«
Wanda überließ das Ehepaar seinem gemütlichen Nachmittagsplausch. Vielleicht hatte Hajo ja wirklich irgendeinen Tipp für Natalie. Wenn Natalie wegen einer teuren Miete kein Geld mehr für das Fitnessstudio hatte, litt ja auch das Herkules darunter.
Doch nun musste Wanda sich sputen. Eigentlich war ihr eher nach Couch zumute, aber sie hatte Biggi und Marianne ja großspurig ins Haus am Tor eingeladen, da konnte sie nicht kneifen. Und vorher musste sie noch nach Hause, sich umziehen. Zum Glück hatte sich Franziska bereit erklärt, bis zum Schluss zu bleiben. Ihr war offenbar nicht nach Couch zumute. Vermutlich weil dort Norbi mit flehenden Augen auf sie wartete.
Wanda warf einen flüchtigen Blick in den Spiegel. Sie sah so müde aus. Übernächtigt. Die Haare wie angeklatscht, die Haut blass. Und warum trug sie
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