Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
bisschen zu auffällig gekleidet vorkam, aber Biggi schoss mal wieder den Vogel ab. Sie hatte sich ein grünes Tuch in die Haare gebunden und trug dazu ein Kleid mit großen geometrischen Mustern.
»Wie sehe ich aus?« Biggi sah Wanda über den Rand der Speisekarte hin an und rückte ihre Brille zurecht.
Wie ein fliegender Teppich. Aber Biggi brauchte seit Bennos Tod jede denkbare Ermunterung, daher entschied Wanda sich für Diplomatie. »Atemberaubend.« Das war nicht mal gelogen.
»Prima. Es könnte nämlich sein, dass mein idiotischer Exmann hier auftaucht, der steht auf die Band.« Sie winkte kurz dem Saxophonspieler zu, der winkte zurück.
»Du kennst den?«
»Ja, die Band, von früher, habe ich doch gerade gesagt. Der mit dem Saxophon heißt Gerd. Mein Ex wollte ja immer bei der Band mitmachen, dabei konnte er gerade mal drei Griffe auf der Gitarre. Lächerlich. Totale Selbstüberschätzung, wie üblich. Natürlich haben sie ihn nicht genommen, Gott sei Dank.« Sie wurde immer lauter. »Was hab ich ihm das gegönnt. Er hat sich wahrscheinlich schon auf die Groupies gefreut, die ihm ihre Höschen auf die Bühne werfen …«
»Biggi …«
»Neulich hab ich ihn mal gesehen, bei Edeka. Wieder mit einer neuen Freundin, noch jünger als die andere. Die hatte garantiert noch ihre Milchzähne. Was finden die an dem? Ich werde es nie verstehen. Total fett geworden ist er. Hat einen Bierbauch so groß wie ein afrikanischer Kleinstaat.« Biggi griff nach Wandas Weinglas und genehmigte sich einen großzügigen Schluck.
»Kennst du den Gerd näher?«, fragte Wanda schnell, um Biggis Monolog im Keim zu ersticken. Sonst würde sie den ganzen Abend lang nur über ihren Exmann herziehen. Seit er sie vor einigen Jahren Knall auf Fall für eine Jüngere verlassen hatte, wucherte in Biggi eine Art Rachegeschwulst, auch wenn besagte Jüngere in einer Art Matrjoschka-Effekt immer wieder durch noch jüngere Modelle ersetzt wurde.
»Kenne ich den Gerd näher? Hallo, Marianne.«
Marianne setzte sich zu ihnen. Sie sah abgehetzt aus, und an ihrem Jackenärmel klebte ein Klecks Kartoffelbrei. Wahrscheinlich hatte sie Günthers Essen noch im Weggehen aufgewärmt.
»Den kenne ich flüchtig. Ganz netter Typ. Eingefleischter Junggeselle, glaube ich zumindest. Mir ist er zu musikbesessen. Und zu klein. Oh.« Biggi schlug sich plötzlich die Hand vor den Mund. Ihre Augen funkelten aufgeregt. »Ahne ich hier was? Warum fragst du?«
»Ich …«
»Der ist doch nicht klein«, mischte sich Marianne ein. »Da gibt es doch noch ganz andere.«
»Klar, Zwerge.« Biggi winkte ab. »Wanda? Gefällt er dir? Soll ich euch bekannt machen?«
»Jetzt hör auf, der sieht schon dauernd rüber. Außerdem fangen sie jetzt an.« Damit war das Thema erst mal erledigt. Wanda atmete auf. Gerd legte sich mächtig ins Zeug, und sie musste zugeben, dass er ganz ausgezeichnet Saxophon spielte. Auf einer Tafel hinter den Musikern stand Gerd Hartmann Band. Wanda lauschte der Melodie, die ihr irgendwie bekannt vorkam.
»Someday my prince will come« , sagte Biggi.
»Was?« Wanda konnte Biggi nicht ganz folgen.
»Spielen die. So heißt das Stück.« Biggi goss allen aus der Weinflasche ein, die Wanda bestellt hatte, und hob ihr Glas hoch. »Hoffen wir’s.«
»Hoffen wir was?«, fragte Marianne. Der Englischkurs hatte bei ihr eindeutig genauso wenig gebracht wie der Salsakurs bei Wanda.
»Dass mein Prinz eines Tages doch noch kommt. Auch wenn er schon graue Haare hat. Oder eine Glatze, wie mein Benno.« Biggis Augen wurden einen Moment lang verdächtig feucht, dann holte sie entschlossen Luft. »Prost. Und auf deinen Prinzen auch, Wanda. Noch mal Prost! Du hast deinen ja schon, Marianne. Prinz Günther. Prost! Auf dass wir unser Leben genießen.«
»Und auf das Herkules .« Wanda hob ihr Glas. »Danke, dass ihr mir so geholfen habt. Ohne euch hätte ich es nicht geschafft.« Sie stieß mit Biggi und Marianne an. »Es haben sich übrigens in den letzten Tagen tatsächlich ein paar Leute angemeldet. Ist das zu fassen? Wenn das Stefan wüsste. Und bezahlt haben auch ein paar. Ich hoffe, ihr seid auch weiterhin dabei?« Wanda schaute ihre Freundinnen erwartungsvoll an.
»Natürlich.« Marianne stieß so kämpferisch mit Wanda an, dass das Glas laut klirrte. »Sonst wird das ruck, zuck wieder so eine Dreckbude dort. Das kann ich ja wohl nicht zulassen, hätte mir beinahe den Ischias eingeklemmt, als ich den Boden da geschrubbt habe!«
»Ich auch.« Biggi
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