Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
Liebeskummer‹, formten Mariannes Lippen lautlos. Sie deutete leicht mit einem Nicken in Mattis Richtung. »Das wird schon wieder. Andere Mütter haben auch schöne Töchter.«
Matti schüttelte trotzig den Kopf. »Aber nicht solche. Was findet die nur an dem? Der ist ein totaler Schlaffi. Ich wette, der macht nie Sport, so ein Computerlaschi ist das.«
»Das wird schon wieder«, wiederholte Marianne geduldig. »Stückchen Kuchen? Heute gibt es Bienenstich.«
Wer hätte das gedacht? Wie es aussah, mochten sich Matti und Marianne wirklich. Generationsübergreifend, ganz genau. Im Herkules kamen tatsächlich Alt und Jung zusammen, denn nie im Leben hätten Matti und Marianne sich sonst gefunden. Wanda nahm die Plakate, die Marianne aus dem Wagen mit hereingebracht und auf die Beinpresse gelegt hatte, mit ins Büro. Biggi würde die sicher gleich verteilen. Vielleicht meldeten sich ja tatsächlich noch ein paar Leute an. Aber das Wichtigste war jetzt der Slogan, ein Motto brauchten sie. Was stand im Planet of Fitness im Eingangsbereich an der Wand? Get fit or look like your mother. Allein bei der Erinnerung daran schäumte die Empörung erneut in Wanda hoch. Vielleicht lieber: Get fit like your mother? Nein, das war albern. Get fit with your mother? Nein, das war noch idiotischer. Und überhaupt, sie sollte diesen hirnrissigen Slogan nicht übernehmen, sondern einen eigenen finden.
Sie unternahm einen letzten Kontrollgang durch das Studio, bevor es Zeit wurde, die Türen aufzuschließen. Draußen hatten sich schon ein paar Leute versammelt, wie immer war Otto Gilder dabei. Wanda sah sich um. Umkleideräume waren okay, Toiletten waren auch sauber. Wie machte Marianne das bloß. Halt, da hatte tatsächlich jemand etwas an die Toilettenwand geschrieben, es war nicht zu fassen. Sie waren hier doch nicht auf dem Bahnhof oder auf dem Schulklo. Verärgert griff sie nach einem Lappen, um das Geschmiere zu entfernen. Dann hielt sie inne. Ihre Lippen kräuselten sich zu einem kleinen Lächeln. Vielleicht sollte sie das lieber stehenlassen. Wer immer der Verfasser war – hatte er nicht recht?
Sixty is the new sexy stand dort.
Und überhaupt – da war er, ihr Slogan!
Wanda schloss die Tür auf, ließ die Leute rein und ging ein letztes Mal hinaus zu den Zwergen. So scheußlich sie auch aussahen – sie belebten den tristen Innenhof, gar keine Frage. Hier musste unbedingt etwas passieren. Als sie wieder nach vorn ins Studio kam, stand Ecki am Tresen. Heute allerdings nicht in Sportkleidung, sondern in Jeans und Hemd, einen Zollstock in der Hand, Laptop unter dem Arm. Er sprach gerade mit Marianne, die immer noch ihrer Rolle als Seelentrösterin nachkam.
»Ecki!«, rief Wanda erfreut. Das musste Gedankenübertragung gewesen sein. »Willst du dir heute mal den Innenhof ansehen?«
Er drehte sich um und gab damit die Sicht auf die Männer hinter ihm frei. Der eine war Kai. Er sah Wanda mit betretenem Gesichtsausdruck und hängenden Schultern an. Der zweite war Gerd. Er hielt seinen schwarzen Saxophonkasten in der Hand und zwinkerte ihr freundlich zu.
Jetzt war es also so weit. Na toll, auch noch vor Publikum. Da hieß es Augen zu und durch. »Hallo«, sagte sie, bemüht neutral und an niemand Bestimmtes gerichtet. »Schön, dass ihr da seid.«
»Hallo, Wanda«, sagte Gerd. »Ich wollte fragen, ob du Lust hast, später dorthin zu kommen.« Er zog einen Zettel mit einer Adresse aus der Hosentasche. »Mein Bekannter gibt ein kleines Fest und unsere Band spielt wieder, so ähnliche Sachen wie an dem Abend im Haus am Tor .«
Noch bevor Wanda etwas antworten konnte, trat Ecki zu ihr und legte lässig einen Arm um sie. »Mein Lieblingskleid. Siehst ja heute wieder so schick aus wie neulich abends«, sagte er.
Marianne grinste breit, und Kais Augen weiteten sich. Na wunderbar. Was mochte er bloß von Wanda denken? Dass sie eine zu früh pensionierte Nymphomanin war, die jeden Abend in einer anderen Bar mit einem anderen Mann abhing?
»Hallo, Gerd, eine Sekunde und …« Sie ging beherzt ein paar Schritte auf die Jungs zu und nahm Gerds Zettel an sich. Sie lächelte ihn an und wandte sich dann hastig Kai zu, noch bevor er etwas sagen konnte. »Du willst sicher den Kurs nicht mehr machen, ist klar, verstehe ich, die Natalie springt ein und Axel auch, und …«
»Warum sollte ich denn den Kurs nicht mehr machen wollen?«, fiel Kai ihr ins Wort. »Ich habe mir schon neue Übungen ausgedacht. Tut mir leid, dass ich ein paar
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