Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
Was den Verkehrslärm schlucken soll?«
Nein, das wusste sie nicht. Wie sie überhaupt langsam das Gefühl beschlich, von Architektur nicht die geringste Ahnung zu haben. Zeit, ihren Horizont zu erweitern. Hier war er doch, der kulturvolle, witzige und körperlich fitte Herr in ihrem Alter – eine Spezies, von der sie schon geglaubt hatte, sie sei ausgestorben. Und wenn er nun mal nichts von Biggi wollte … Und überhaupt – Biggi war doch die, die neuerdings darauf bestand, spontan zu sein. »Dann komm doch mit«, rutschte es Wanda heraus, noch bevor sie sich bremsen konnte.
Ecki strahlte. »Ich buche uns ein Hotel. Dann kannst du deinen Sohn besuchen, und danach machen wir Kempten unsicher.«
Uns ein Hotel buchen? Meinte er etwa ein Doppelzimmer? Doch bevor sie ihn fragen konnte, kam Marianne in den Innenhof, vier Leute im Schlepptau, zwei Ehepaare, wie es schien.
»Die Herrschaften möchten sich gern mal unseren Klub ansehen«, verkündete sie. Und fügte mit vor Triumph bebender Stimme hinzu: »Sie haben von unserer Aktion mit den wunderschönen Gartenplastiken gehört.«
21 Architektonische Kleinode
Die vier Neumitglieder kauften anstandslos Jahreskarten und zogen begeistert mit vier kolossalen Zwergenrecken von dannen. Wanda konnte es nicht fassen.
»Wissen Sie, wie lange wir schon so was suchen?«, hatte eine der Frauen gefragt. »Es gibt ja immer nur die großen Gartenfiguren aus Polen, einmal Regen und die Farbe ist ab, aber die hier, die sind ja richtige Qualitätsarbeit. Und so ein Fitnessstudio, wo ordentlich was für die ältere Generation geboten ist, das gibt es auch viel zu selten.«
Wanda hätte die Frau küssen können. »Siehst du?«, sagte sie immer wieder zu Marianne. »Siehst du? Hab ich es nicht gesagt?«
»Hab ich es nicht gesagt, meinst du wohl«, erklärte Marianne stolz. »Du hast Glück, dass Kati und ich dir unsere Zwerge so großzügig überlassen haben. Kati macht ja nicht mal Profit. Da hätte man sonst was rausholen können.«
»Ach ja?« Wanda ließ sich von Mariannes Einwand nicht die Laune verderben. »Deswegen standen die Dinger ja auch wochenlang bei dir im Haus herum, nicht?«
»Wanda!« Hajo kam aufgeregt auf sie zu. Er trug einen Anzug und wirkte viel seriöser als sonst in seinem Turnhemd und mit seiner schnatternden Frau im Schlepptau. »Ist Natalie hier?«
Wanda sah sich suchend um. »Ich glaube nicht. Warum? Halt, da hinten ist ihr Freund.« Wanda hatte Ritschie entdeckt, der mit verdrossener Miene Eisenscheiben stemmte. »Nein, der scheint alleine da zu sein.«
»Ach, schade, ich hätte es der Kleinen gern selbst gesagt. Ich habe nämlich etwas herausgefunden, wegen der Wohnungskündigung.« Hajo wirkte äußerst zufrieden. »Das wird sie freuen.«
»Ach.« Wanda musterte ihn. »Warst du auf dem Amt irgendwo? Du siehst so … anders aus.«
Hajo sah geschmeichelt an sich herunter. »Einwohnermeldeamt. Da kenne ich noch jemanden von früher. Wegen meines Jobs.«
»Du hast beim Einwohnermeldeamt gearbeitet?« Wanda verstand nicht ganz, worauf er hinauswollte.
»Ich war früher Anwalt. Eine ganze Weile lang zumindest, bis ich ein bisschen kürzer getreten bin. Und da sind mir so manches Mal Schlawiner wie dieser Korratschek untergekommen. Angeblicher Eigenbedarf, weil die Tochter die Wohnung braucht, jaja, kennt man alles.« Er grinste vergnügt. »Dumm nur, wenn sich herausstellt, dass der Mann gar keine Tochter hat.«
Marianne riss die Augen auf, und auch Wanda war sprachlos. »Du meinst …?«
Er nickte. »Ich meine genau das. Es gibt keine Tochter. Und selbst wenn er noch blitzschnell eine zeugt, ist die Kündigung damit trotzdem nicht rechtens. Da muss sich der gute Mann schon was anderes einfallen lassen. Aber vorerst bekommt er die beiden nicht aus der Wohnung raus.«
»Dieses Lumpenpack«, sagte Marianne. »Da hört ja wohl alles auf.«
»Passiert öfter, als man glaubt. Meint ihr, ich soll es dem jungen Mann erzählen?« Hajo blickte unsicher zu Ritschie hinüber. Der wischte sich gerade mit einem kleinen Handtuch über die Stirn und schlug dann plötzlich damit nach einer unsichtbaren Fliege. »Oder lieber nicht? Sonst schlägt der den Korratschek auch mit seinem Handtuch platt.«
»Sag ihm nur, was du rausgefunden hast«, meinte Wanda. »Ich glaube, der muss einfach mal merken, dass es auch nette Menschen auf der Welt gibt.«
Wanda und Marianne standen vor dem Tresen und beobachteten gespannt, wie sich Hajo, einem
Weitere Kostenlose Bücher