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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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Neuschwanstein, hier gleich in der Nähe. Außen so zart, so verspielt, so puppig. Und innen? Düster. Grottig. Größenwahnsinnig. Melancholisch, vom Wahnsinn geprägt.«
    »Grottig.«
    »Eben. Und du bist das nicht. Du bist … geradlinig. Hell. Klar strukturiert. Du bist wie die Brooklyn Bridge. Von filigraner Eleganz und doch voller Kraft.«
    »Ich bin also die Brooklyn Bridge«, wiederholte Wanda schwach.
    Ecki zwinkerte ihr zu. »Und ich kann es kaum erwarten, deine Spitzbögen zu ergründen. Deine Bausubstanz ist noch ziemlich beachtlich, wenn ich das mal so sagen darf. Gut erhalten. Oder vielleicht auch gut restauriert?«
    Er lachte.

22   Truthähne und Schmetterlinge
    Ecki hatte sich sofort an dem Montag nach Kempten in die Arbeit gestürzt, und der Innenhof nahm jetzt, nur fünf Tage später, mit rasanter Geschwindigkeit Form an. Hatte gestern noch ein riesiges Holzgerüst wie ein Walfischskelett den Hof dominiert, verschönerte es heute als Holzdeck gemeinsam mit den Sitzobjekten den neuen Freiluftbereich. Die Mülltonnen waren hinter einer diskreten Trennwand verschwunden, eine schwarze Plane schmückte bereits das Loch, in dem bald ein kleiner Teich entstehen sollte. Ecki und seine Helfer arbeiteten nun schon seit Tagen, zum Glück spielte das Wetter mit und benahm sich für Anfang Dezember äußerst zivilisiert.
    »Nein, ist das schön!« Hajos Frau Lilo wurde nicht müde, täglich vorbeizukommen und den Innenhof zu bewundern. »Da möchte man ja glatt einziehen. Hajo, warum baust du nicht mal so was in unseren Garten? Das kann doch nicht so schwer sein, die anderen Herren können das doch auch. So eine Oase, die tät mir auch gefallen. Dann könnten wir auch auf solchen Zackenbänken sitzen, Fische angucken, und du hättest deine Ruhe, nach der du immer so gierst!«
    »Aber hier hat er doch viel mehr Ruhe.« Das kam von Ritschie, der sich in den letzten Tagen als unerschöpflicher Kraftquell und Transporteur geradezu unentbehrlich gemacht hatte.
    »Wieso?«, fragte Lilo gekränkt.
    »Na, vor d …« Ritschie fing Wandas Blick auf und verstummte. »Eben so halt«, brummte er, schnappte sich einen weiteren Sack Kies und verzog sich.
    »Verstehst du den?«, wandte sich Lilo an Wanda. »Was der Hajo immer mit dem zu schaffen hat, das kapiere ich nicht.«
    »Hajo hat den beiden geholfen, ihre Wohnung zu behalten«, erklärte Wanda. »Dafür ist Ritschie ihm natürlich sehr dankbar.« Ritschie hatte sich in ein Schoßhündchen verwandelt, wusste Lilo das denn nicht? Die Kommunikation in Hajos Heim verlief offenbar nur in eine Richtung.
    Wanda sah zu Ecki hinüber, der mit Feuereifer bei der Sache war, die Ärmel hochgekrempelt, ein paar Schrauben zwischen den Zähnen. Ihr Ecki. Seit der Nacht am Wochenende im Fürstenhof , in der Ecki ihr leidenschaftlich versichert hatte, dass ihre »Bausubstanz bei jeder Inspektion noch als Topqualität durchgehen würde«, und in der Wanda, den Magen voller Spätzle und den Kopf voller Informationen über frei aufliegende Balken, Dämmschichten und Fundamentbeton, seit langem mal wieder erstaunlich guten Sex gehabt hatte, war er so etwas wie ihr Freund. Oder? Biggi jedenfalls war schwer beeindruckt, dass Wanda ihr Liebesleben so rasant anging, wie sie beide es sich geschworen hatten. Biggi selbst hatte allerdings eine ganz andere Richtung eingeschlagen.
    »Ich bleibe erst mal Single«, hatte sie Wanda erklärt. »Das mit Benno macht mich immer noch ganz fertig, da kann ich doch nicht einfach mit einem neuen Mann was anfangen, als wenn es den Benno in der Zwischenzeit nie gegeben hätte. Und außerdem – mit nur einem Mann alleine würde ich gar nicht glücklich. Wo bleibt da die Freiheit? Mit Benno hatte ich auch immer eine freie Beziehung. Und dann hab ich den Falschen geheiratet und jahrelang im Gefängnis meiner Ehe gehockt, da wäre ich ja blöd, wenn ich mich gleich wieder einsperren ließe. Im Herzen bin ich ein Hippie. Und weißt du, was ich demnächst mache? Was ich schon immer tun wollte? Ich lasse mich tätowieren. So einen kleinen niedlichen Schmetterling an der Schulter. Nun guck nicht so entsetzt.«
    Wanda war völlig gelassen geblieben, denn Biggi hatte in ihrem Leben schon viel angekündigt und nicht durchgezogen. »Ich gucke nicht entsetzt. Wenn du gern eine Tätowierung willst, nur zu.«
    Seitdem hatten sie nicht mehr darüber geredet, Wanda hatte auch kaum Zeit gehabt, denn Ecki nahm sie völlig in Beschlag. Und genau das war der Punkt. Hatte

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