Mein Herz in Deinen Händen
aufsetzte. Sie hatte keine Zeit zu frühstücken. Sie hatte keine Zeit, etwas anderes zu tun, als zur Scheune zu laufen und sich mit irgendwas zu beschäftigen … was immer sie finden konnte. Sie rannte zur Tür und kam schlitternd zum Stehen, weil Dan auf Samson auf sie zuritt.
Das Pferd war so hoch, der Mann darauf so abgehoben, sie sah hinauf, hinauf, hinauf …
Dan kontrollierte Samson mit den Knien und lockerem Zügel. Dans strenge Gesichtszüge entspannten sich; er lächelte beinahe, als er ihren verwirrten Gesichtsausdruck und die schweren Lider sah, ganz so, als freue ihn der Anblick und die Erinnerung an letzte Nacht. Die Morgensonne liebkoste sein Haar, umspielte jede Strähne und gab ihm einen Schimmer, der wie ein Heiligenschein aussah – nur dass Pepper es nach der gestrigen Nacht besser wusste. Er war kein Engel, sondern ein zu allem entschlossener Teufel, der sie bedrängte, lockte und mit seiner Inbrunst davonriss.
Er sagte prosaisch, als habe die Nacht niemals stattgefunden: »Lass uns picknicken.«
»Wie?« Sie schaute sich um. »Heute?«
»Der Schnee wird schnell schmelzen.«
Und das tat er auch. Die verspätete Kaltfront hatte über Nacht den Rückzug angetreten. Der Wind hatte nach Westen gedreht. Der Schnee bedeckte den Boden in ungleichmäßigen Flecken, schmolz vom Dach und lief in kleinen Rinnsalen den Hang hinunter.
»Komm.« Er streckte die Hand aus. »Samson kann uns beide tragen.«
Sie sog die frische Luft ein und überlegte. Letzte Nacht hatte sie keinen Gedanken an den nächsten Tag verschwendet, aber hätte sie es getan, dann hätte sie einen streitlustigen, anmaßenden Dan erwartet. Stattdessen kam er auf seinem übergroßen Pferd angeritten, einen Picknickkorb an den Sattel geschnallt und erwartete, dass sie mit ihm davonritt, als seien sie zwei Kinder, die Schule schwänzten und spielen gingen. Als seien sie jung und unbesorgt und hätten nicht die Folgen ihrer Missetaten zu tragen. Als sei dies … der letzte Tag ihres Lebens.
Vielleicht war er das.
Sie nahm seine Hand und ließ sich hinter ihn in den Sattel helfen.
»Halt dich fest.« Er ließ Samson auf und davon galoppieren und fragte: »Weißt du, wohin wir reiten?«
»O ja.« Sie hatte nicht mehr auf einem Pferd gesessen, seit sie Diamond verlassen hatte, aber sie erkannte das Gefühl wieder, auf Samson zu sitzen, als sei es gestern gewesen, seinen donnernden Galopp und den Geruch des warmen Körpers. Die Bewegung zog an ihren müden Muskeln, und die Luft, die ihr übers Gesicht strich, war wie in jenem Frühling vor neun Jahren, als Dan sie am Samstagvormittag abgeholt hatte und mit ihr über die beiden Ranches und in die Berge geritten war. Sie hatte immer Sandwiches mitgebracht, er hatte immer Soda und Chips mitgebracht. Sie beide waren herumgesprungen wie Lämmer im Frühling und immer, immer hatte der Tag damit geendet, dass sie sich nebeneinander auf eine Decke streckten und miteinander schmusten, bis sie beide vor Lust und Frustration rote Gesichter hatten.
Jetzt gab ihr dieses Gefühl von Jugend und Freiheit Auftrieb. Samson trug sie mit seinen riesigen Hufen und seinem breiten Rücken auf steilen, engen Pfaden in die Berge hinauf. Während Dan seinen Wallach lenkte, bewegte sein Körper sich in ihren Armen. Seine Hitze ließ alte und neue Erinnerungen zu einem kraftvollen Gebräu verschmelzen, das Pepper vermutlich … ins Desaster stürzen ließ.
Ein weiteres Desaster.
Je höher sie kamen, desto näher rückten die Pinien. Pepper roch den urzeitlichen Geruch, der sie umgab, und sog die frische Luft so tief in die Lungen, dass es wehtat und ein alarmierendes Prickeln über ihre Haut lief. Die Wildnis war ansteckend. Wenn sie nicht aufpasste, würde die alte Sorglosigkeit sie wieder befallen, und sie würde sich Dan hingeben, bevor sie beide auch nur das Geringste geklärt hatten.
Nach dem, was letzte Nacht passiert war, mussten sie reden. Sie mussten wirklich miteinander reden.
Sie erreichten das Flachstück, auf dem die erste Dreiss-Ranch stand, die ursprünglich nur ein einziges Zimmer gehabt hatte, eine Art Unterstand, der zum Schutz vor Winter und Schnee in der Mulde eines Hügels errichtet worden war. Irgendwann im neunzehnten Jahrhundert hatte eine der Dreiss-Frauen darauf bestanden, die Hütte zu vergrößern, weswegen sie sich jetzt bis zum Hang zog, eine hölzerne Blockhütte mit einer Veranda und Glasfenstern mit Blick auf den Wald. Früher waren die Bäume außen herum gerodet worden, um
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