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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Badezimmertür, um mich zu verabschieden, jetzt ohne den Schritt über die Schwelle zu wagen, als hätte ich nun, da ich fertig war, nicht mehr das Recht dazu, obwohl es keine sozialen Anstandsregeln mehr zwischen uns gab, zwischen zwei Freunden, die sich vor fünfzehn Jahren wach umarmt hatten.
    »Kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragte ich sie plötzlich, mit dem Kopf in der Tür (plötzlich, weil ich noch nicht beschlossen hatte, sie danach zu fragen, ich überlegte es mir noch, als ich es schon sagte).
    Sie hörte nicht auf, sich zu betrachten (sie suchte oder erfand sich jetzt Mängel mit einer Pinzette vor dem Spiegel, der ihr ganz gehörte). Sie sagte:
    »Sag.«
    Ich überlegte es mir erneut und redete erneut, bevor ich mich dazu entschlossen hatte (wie manchmal beim Übersetzen, wenn ich den Worten des Übersetzten ein wenig vorgreife, weil ich schon errate, was folgt), während ich noch immer dachte: ›Wenn ich sie darum bitte, wird sie Erklärungen wollen.‹
    »Würde es dir etwas ausmachen, im Lauf der Unterhaltung den Namen Miriam zu erwähnen, um zu sehen, wie er reagiert, und dann erzählst du es mir?«
    Berta zog kräftig am Haar einer Augenbraue, das sie verurteilt hatte und schon mit der Pinzette gefasst hielt. Jetzt schaute sie mich an.
    »Den Namen Miriam? Warum? Was weißt du? Ist das seine Frau?«
    »Nein, ich weiß nichts, es ist nur ein Test, eine Idee.«
    »Kommkomm«, sagte sie und bewegte mehrmals den Zeigefinger der linken Hand, als wollte sie mich zu sich heranziehen oder sagen: ›Schieß los‹ oder ›Raus damit‹ oder ›Red schon‹. Es war ein Geflatter.
    »Ich weiß wirklich nichts, es ist nichts, nur eine Vermutung, eine Einbildung von mir, und außerdem habe ich jetzt keine Zeit, ich muss pünktlich sein, um ihnen zu sagen, dass du nicht kommst, ich werde es dir morgen erzählen. Wenn du daran denkst und kannst, dann erwähne diesen Namen bei der Unterhaltung, egal wie, sag, dass du ein Abendessen mit einer Freundin abgesagt hast, die so heißt, irgendwas, es ist nur der Name. Aber insistier nicht.«
    Berta interessierte das Unbekannte, jeden interessiert es, Tests zu machen und mit Neuigkeiten zurückzukommen, auch wenn er nicht weiß, zu welchem Zweck.
    »Ist gut«, sagte sie, »ich werde es versuchen. Kannst du mir einen Gefallen tun?«
    »Sag«, sagte ich.
    Sie redete, ohne es sich zu überlegen, oder sie hatte es vorher überlegt und sich schon entschlossen.
    »Hast du Präservative, die du mir geben kannst?«, sagte sie rasch und wie beiläufig, während sie mich nicht mehr anschaute (sie schminkte sich die Lippen mit einem winzigen Pinsel und großer Sorgfalt).
    »Ich muss einen im Necessaire haben«, antwortete ich so unbefangen, als hätte sie mich um eine Pinzette gebeten, ihre lag noch auf dem Waschbecken; aber die Unbefangenheit war so gespielt, dass ich nicht vermeiden konnte hinzuzufügen: »Ich dachte, du wolltest, dass irgendeine deiner Verabredungen einmal keins mitbringt.«
    Berta lachte und sagte:
    »Ja, aber ich will nicht das Risiko eingehen, dass es Sichtbare Arena ist, der keins mitbringt.«
    In ihrem Lachen lag wirkliche Heiterkeit, wie auch in dem Singsang, den ich noch hören konnte (bestimmt kämmte sie sich vor dem Spiegel, nunmehr allein, ohne meine Anwesenheit, die in der Öffnung einer Tür lehnte, die nicht die meines Schlafzimmers war), während ich auf die Wohnungstür zusteuerte, das Lachen und der Singsang der glücklichen Frauen, die noch keine Großmütter und keine Witwen und auch keine alten Jungfern sind, dieser bedeutungs- und ziellose Gesang, den niemand beurteilt und der jetzt nicht Vorspiel des Schlafes oder Ausdruck der Müdigkeit war, sondern einfältiges Lächeln oder Ausdruck und Vorspiel des Gewünschten oder des Erahnten oder des schon Gewussten.
    Es geschah jedoch etwas Unvorhergesehenes, das, im Nachhinein betrachtet, überhaupt nicht unvorhersehbar war. Ich kehrte von meinem Abendessen gegen zwölf Uhr zurück und schaltete vor dem Schlafengehen, wie immer, wenn ich alleine bin, den Fernseher an und brachte eine kurze Weile damit zu, durch die Kanäle zu wandern, um zu wissen, was in meiner Abwesenheit in der Welt geschehen war. Dabei war ich, als die Wohnungstür, die ich einige Minuten zuvor geschlossen hatte, ohne den Riegel vorzulegen, erneut aufging und Berta erschien. Sie tat den Schlüssel nicht in die Handtasche, sie behielt ihn in der Hand. Sie hinkte weniger denn je oder verbarg es mehr, sie hinkte nicht. Ihr

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