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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Beauties
hieß es auf Englisch, der Titel gefiel mir nicht, aber ich kaufte es seinetwegen. Ich war dabei, mich mit kleinen Paketen vollzupacken, ich tat alles in eine Plastiktüte, die der Schallplatte, die größte, und warf die anderen weg, die aus dem groben Papier der Lebensmittelgeschäfte haben keine Henkel, sie sind unbequem und nehmen die Hände völlig ein, oder besser gesagt, sie füllen sie aus, wie sich die Hände eines Mannes in seiner Hochzeitsnacht füllen und auch die der Frau, was in diesen Zeiten das Gleiche bedeutet wie das erste Mal, so vergeßbar, wenn es kein zweites gibt, sogar wenn es kein drittes und viertes und fünftes gibt, auch wenn man es weiß. Wir befanden uns in der Hochzeitsnacht von ›Bill‹ und Berta, diese Nacht fand statt, während ich in der Stadt herumging, um die Zeit zu vertreiben, die Zeit totschlagen, nennt man das. Ich sah das Schnellrestaurant, das Berta erwähnt hatte, in Wirklichkeit hatte ich meine Schritte zu ihm gelenkt, ohne daran zu denken, ihrer Erwähnung wegen. Ich ging noch nicht hinein, es musste für später aufgehoben werden, denn im Unterschied zu anderen war es rund um die Uhr geöffnet, ich konnte es nötig haben, ich las die Karte. Der Himmel war nicht mehr zu sehen auf den breiten Straßen, zu viel Licht und zu viele Winkel, ich wusste, dass er rot und bewölkt war, es würde nicht regnen. Ich lief weiter, ohne mich weit zu entfernen, und die Zeit verging, die Zeit, die so wahrnehmbar ist, wenn man sie totschlägt, es ist, als würde jede Sekunde Persönlichkeit und Solidität erlangen, als wären sie Kieselsteine, die man aus der Hand zu Boden gleiten lässt, Sanduhr, die Zeit wird rau und spröde, als wäre sie schon Vergangenheit oder schon vergangen, man schaut, wie die vergangene Zeit vergeht, so war es gewiss nicht für Berta noch für Guillermo, es war alles beschlossen seit dem ersten Brief, alles vereinbart, und die letzte Formalität dürfte während des Abendessens erledigt worden sein, wohin sie gehen würden, ein wenig sprechen, ohne Aufmerksamkeit und mit Ungeduld, so tun, als würde man sich Verdienste erwerben mit einer Unterhaltung, einer Anekdote, den Mund beobachten, den Wein einschenken, höflich sein, Zigaretten anzünden, lachen, das Lachen ist zuweilen Vorspiel des Kusses und Ausdruck des Begehrens, seine Übermittlung, ohne dass man weiß, warum, das Lachen verschwindet später während des Kusses und des Vollzugs, Lachen ist fast nie im Spiel, wenn Menschen sich wach auf dem Kopfkissen umarmen und die Münder nicht mehr beobachtet werden (der Mund ist voll und ist die Fülle), man neigt zum Ernst, so heiter sie auch sein mögen, die Prolegomena und die Unterbrechungen, das Zögern, das Warten, die Fortsetzung und die Pausen, ein Atemholen, das Lachen bricht ab, manchmal auch die Stimmen, die artikulierten Stimmen verstummen oder sie sprechen in Vokativen oder Ausrufen, es gibt nichts zu übersetzen.
    Gegen halb drei bekam ich schließlich ein wenig Hunger, mein Abendessen war schon lange her, und so kehrte ich zu dem rund um die Uhr geöffneten Lokal zurück und bestellte ein Sandwich, ein Bier, entfaltete die überdimensionale
New York Times
, las die internationalen und die Sportseiten, es wurde allmählich schwierig, so viel Zeit zu vertreiben, ich wollte nicht vor Ablauf der drei Stunden zurückkehren, die ich Berta angeboten hatte. Obwohl, wer weiß, vielleicht war ›Bill‹ schon gegangen, vielleicht war der Ernst beendet und auch das Lachen, wenn alles vereinbart ist, ist die Ausführung bisweilen kurz und wird nicht in die Länge gezogen, die Männer sind ungeduldig und wollen gehen, plötzlich stört sie das zerwühlte Bett und der Anblick der Laken und Flecken, der Rest, die Spur, der unvollkommene Körper, den sie jetzt bemerken und nicht bemerken wollen (vorher haben sie ihn nur umarmt, jetzt kommt er ihnen unbekannt vor), oft hat man in der Malerei und im Film die im Bett verlassene Frau dargestellt, nie den Mann oder nur, wenn er tot ist, wie Holofernes, die Frau ein Überbleibsel, vielleicht war Berta schon allein und wartete auf meine Rückkehr oder fieberte meiner Rückkehr entgegen, meine freundschaftliche Hand auf ihrer Schulter, sich nicht unbekannt fühlen und auch nicht als Überbleibsel. Ich zahlte und ging hinaus und kehrte noch immer langsam zur Straße und zum Haus zurück, es gab schon weniger Menschen, man geht nicht so lange aus wie in Madrid, hier ist die Nacht am Freitag und am Sonnabend ein

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