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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Kindheit so oft gesehen, wie er aus dem Fenster meines Zimmers schaute, gleich mir jetzt, wie er in die Außenwelt strebte und die Welt begehrte, zu der er jetzt gehört und von der ihn ein Balkon und ein paar Glasscheiben trennten, während er mir den Rücken zuwandte mit seinem ausrasierten Nacken und mich in meinem eigenen Zimmer einschüchterte, er war ein furchteinflößendes Kind und ist ein furchteinflößender Mann, ein Mann, der vom ersten Augenblick an weiß, wer und mit welcher Absicht angesprochen werden möchte in einem Lokal oder bei einem Fest oder sogar auf der Straße und bestimmt auch in einer Wohnung, in die er auf Besuch ging oder gekommen ist, oder vielleicht ist er es, der die Bereitschaft und die Absicht entstehen lässt, bei Luisa gab es sie nicht vor meiner Abreise, im Gegensatz zu Berta, bei der es sie durchaus vor meiner Ankunft und während meines Aufenthalts gab und auch nach meiner Abreise geben wird, da bin ich sicher. Ob sie sich wohl weiter mit Bill traf, dessen Name Guillermo ist, hatte sie ihn wiedergesehen? Es konnte aber auch sein, dass Guillermo wie ich nach Spanien zurückgekehrt war nach seinen geplanten zwei Monaten, von den dreien war Berta die Einzige, die blieb, ich muss sie anrufen, ich bin fortgegangen, aber ich bin in die Sache verwickelt und Berta gleichgemacht, der Plural wird unvermeidlich und taucht am Ende überall auf, was will Custardoy jetzt von uns, was sucht er jetzt bei uns.‹
    Ich hatte nichts gewollt oder gesucht, während ich außerhalb von Bertas Wohnung gewartet hatte, es war überraschend gekommen, wir hatten nicht damit gerechnet. Es war das siebte Wochenende meiner geplanten acht, das Wochenende nach dem, von dem ich berichtet habe und an dem ich einen wenige Minuten langen Film gedreht hatte, und an den Tagen vor jenem vorletzten Wochenende war die Post geströmt, unser Video war am Montag abgeschickt worden (ohne dass Berta eine Kopie anfertigen mochte) und hatte seine Wirkung erzielt oder war ›Bill‹ attraktiv genug erschienen, um das Risiko in seinen Augen zu lohnen. Er hatte nur mit einer Mitteilung geantwortet, ohne sich dafür zu entschuldigen, dass er nicht mit etwas Gleichwertigem aufwartete, und noch immer ohne sein Gesicht zu zeigen, und wäre es auch auf einem armseligen Foto, aber mit dem Vorschlag eines Treffens am bevorstehenden Sonnabend, sein Umschlag erreichte uns erst am Freitag, sicher nicht vor diesem Tag, denn Berta ging in jener Woche jeden Tag nach der Arbeit zu ihrem Postfach in der Old Chelsea Station. Die Mitteilung von ›Bill‹ war wie immer so auch dieses Mal in Englisch, aber es war eindeutig spanisch, die Verabredung in dieser Weise, von einem Nachmittag auf den nächsten Abend, zu treffen. ›Ich werde dich erkennen‹, schrieb er, in der Oak Bar im Hotel Plaza, einem Ort, an dem man sich vor dem Theater oder dem Abendessen oder sogar der Oper verabredet, ohne zu wissen, dass sie wusste, dass es auch der Ort war, wo er wohnte, das heißt, wo er sein Kopfkissen hatte. An jenem Abend war Berta schon seit Wochen zu einem Abendessen mit ihrer Kollegin Julia und anderen Leuten verabredet, auch ich sollte teilnehmen, sie beschloss, es sei besser, ihre Abwesenheit nicht vorher anzukündigen, damit man sie nicht umzustimmen suchte oder bei ihr vorbeikäme, wenn sie sagte, sie sei krank, ich war es, der sie in dem Restaurant am Hafen entschuldigen musste, indem ich unerträgliche Migräne geltend machte und mich wie ein Eindringling fühlte, da ich allein erschien, ich kannte diese Leute kaum.
    Bevor ich ausging, während ich mich rasierte und anzog, machte Berta sich zurecht (vielleicht aus Gründen der Angleichung), um sich endlich mit ›Bill‹ und mit ›Jack‹ und ›Nick‹ zu treffen, und wir machten uns stumm den Spiegel im Badezimmer und das Badezimmer selbst streitig. Sie war ungeduldig und roch schon nach Trussardi. »Bist du noch nicht fertig?«, sagte sie plötzlich, als sie sah, dass ich mich noch immer gründlich rasierte. »Ich wusste nicht, dass du schon gehst«, antwortete ich, »ich hätte mich in meinem Zimmer rasieren können.« – »Nein, ich gehe erst in einer Stunde«, lautete ihre knappe Antwort, trotzdem war sie schon sehr sorgfältig gekleidet und brauchte sich nur noch zu schminken, was sie, wie ich wusste, sehr rasch tat (noch rascher war sie beim Anziehen der Schuhe, sie musste sehr saubere Füße haben). Aber ich hatte mir noch nicht die Krawatte umgebunden, als sie erneut und anders, wenn

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