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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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auch nicht weniger sorgfältig gekleidet ins Badezimmer trat. »Ah, gut siehst du aus.« – »Ich sehe furchtbar aus«, antwortete sie, »ich weiß nicht, was ich anziehen soll, was meinst du?« – »Vielleicht war es vorher besser, aber so siehst du auch sehr gut aus.« – »Vorher? Aber ich hatte mich doch noch gar nicht angezogen«, sagte sie, »was ich vorher anhatte, war für jetzt zu Hause, nicht um heute Abend auszugehen.« – »Ach so, aber es stand dir gut«, antwortete ich, während ich mit locker um den Hals hängender Krawatte eine Haftschale wusch. Sie ging hinaus und erschien nach einigen Minuten in einer anderen Aufmachung, die provokanter war, wenn dieses Wort irgendeinen Sinn hat, ich nehme an, es hat einen, denn man verwendet es nicht selten zur Beschreibung von weiblichen Kleidungsstücken, und es existiert in allen Sprachen, die ich kenne, die Sprachen pflegen sich nicht gemeinsam zu irren. Sie schaute sich aus der Entfernung im Spiegel an, um sich so vollständig wie möglich zu sehen (es gab keinen Bodenspiegel in der Wohnung, ich trat zur Seite und unterbrach den Knoten meiner Krawatte); sie winkelte ein Bein an und glättete mit der Hand den etwas kurzen und sehr engen Rock, als fürchtete sie eine imaginäre Falte, die ihren Hintern entstellen könnte, oder vielleicht zupfte sie durch den Stoff hindurch, der ihn bedeckte, ihren rebellischen Slip zurecht. Sie sorgte sich um ihr Aussehen in bekleidetem Zustand, ›Bill‹ hatte sie schon nackt gesehen, wenn auch auf dem Bildschirm.
    »Hast du nicht ein bisschen Angst?«, sagte ich.
    »Was meinst du?«
    »Ein Unbekannter, man weiß nie. Ich will kein Unglücksbringer sein, aber es gibt viele Typen in der Welt, mit denen man nicht mal über die Straße gehen kann, wie du gesagt hast.«
    »Die meisten dieser Typen arbeiten in einer sichtbaren Arena: Wir sehen sie täglich in den Vereinten Nationen, und alle Welt geht mit ihnen über die Straße. Außerdem ist es mir egal. Ich bin schon daran gewöhnt, wenn ich Angst hätte, würde ich niemanden kennenlernen. Man kann immer noch einen Rückzieher machen, und wenn die Dinge nicht so sind, dann ist es eben Pech. Na ja, nicht immer, manchmal ist es zu spät.«
    Sie prüfte sich wieder und wieder, von vorne, von einer Seite, von der anderen und von hinten, aber sie fragte mich nicht, ob sie vorher besser oder jetzt gut aussah, ich wollte mich nicht mehr einmischen, ohne dass sie mich darum bat. Sie bat mich darum.
    »Ich seh schlimm aus, ich weiß nicht, ob ich zugenommen habe«, sagte sie.
    »Mach dich nicht verrückt, du bist gut so, vor ein paar Tagen hast du geglaubt, du bist zu mager«, sagte ich und fügte hinzu, um sie von den unüberlegten Überlegungen und Blicken abzulenken, die sie ihrer Person widmete: »Wohin, glaubst du, wird er dich führen?«
    Sie befeuchtete eine winzige Bürste unter dem Wasserhahn und bürstete sich die Augenbrauen nach oben, um sie zu betonen.
    »Wenn ich bedenke, dass er nicht lange fackelt und sich gleich im Hotel mit mir verabredet hat, dann nehme ich an, dass er mich geradewegs in sein Zimmer führen will. Aber ich habe nicht die mindeste Absicht, heute Abend auf mein Abendessen zu verzichten.«
    »Vielleicht hat er ja das Abendessen für oben geplant, wie die Verführer im Kino.«
    »Wenn es so ist, dann hat er sich geschnitten. Vergiss nicht, dass ich sein Gesicht noch nicht gesehen habe. Vielleicht setze ich mich noch nicht mal, um was mit ihm zu trinken, wenn ich es gesehen habe.« Berta machte sich Mut, sie war unsicher, sie wollte einen Augenblick lang glauben, dass die Dinge nicht sein könnten, wie sie sein würden, dass sie noch überzeugt, das heißt verführt werden müsste. Sie wusste, wie sie sein würden, weil sie zum Großteil von ihr abhingen, sie war verführt, lange bevor ›Nick‹ ihr geschrieben hatte, der Bereitschaft und der Absicht wegen, welche mehr als alles andere überzeugen und verführen. Deshalb fügte sie sogleich hinzu, als wollte sie sich vor mir nicht länger als einen Moment betrügen: »Ach, und mach dir keine Sorgen, wenn ich nicht zurückkomme, vielleicht schlafe ich nicht zu Hause.«
    Ich verließ das Badezimmer und beendete meinen Krawattenknoten in meinem Zimmer, mithilfe eines Handspiegels. Ich war so gut wie ausgehfertig, meine Verabredung, die ihre gewesen war, lag früher als ihre endgültige, die nicht meine war. Ich zog das Jackett an und trat mit dem Mantel über dem Arm ein weiteres Mal an die

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