Mein Herz so weiß
machte er eine fragende Bewegung mit dem Kopf und fragte mich nach der Hausnummer von Berta, ich verstand ihn kaum, er mochte Grieche oder Libanese oder Russe sein wie fast alle Taxifahrer dieser Stadt, alle Welt fährt ein Auto. »Das da«, sagte ich, während ich auf den Hauseingang wies, dessen Nummer man in der bewölkten Nacht einer einzigen Straßenlampe nicht erkennen konnte, und sofort wandte ich mich ab, ich entfernte mich aus dem Lichtkegel, als hätte ich es plötzlich eilig, meinen Weg fortzusetzen, dies war das Taxi, das ›Bill‹ sicher telefonisch bestellt hatte, um ins Plaza zurückzukehren, vielleicht ginge er jetzt, und das Licht würde verlöschen, wenn Berta noch immer am Leben wäre, ein Überbleibsel oder nicht, zu viele Stunden. Ich blieb in einer gewissen Entfernung stehen, jenseits der Stelle, an der ›Sichtbare Arena‹ gewartet hatte, um ohne Zeugen hinaufgehen zu können, ich hörte den kurzen, jähen Klang der Hupe, er bedeutete ›Hallo‹ oder ›Da bin ich‹ oder ›Kommen Sie runter‹. Unmittelbar darauf ging die Haustür auf, und ich sah die patriotische Hose, den Mantel herauskommen, der in der Nacht von einem brünierten Blau war, der Himmel war noch immer rot, vielleicht würde er dunkler werden. Ich hörte die Tür des Taxis, als sie geschlossen wurde, und den laufenden Motor, es fuhr mit wachsender Geschwindigkeit an mir vorbei, ich wandte ihm den Rücken zu. Dann ging ich zurück, bis zur Straßenlampe, das Licht im Wohnzimmer war jetzt gelöscht, Berta dachte an mich und war am Leben, auch unsere waren gelöscht, ich hatte gerade das Zimmer in Dunkel getaucht, in dem ich arbeite, Luisa das, in dem wir schliefen, kurz vorher, es waren nur einige Sekunden vergangen. Es regnete noch immer Quecksilber oder Silber in den Lichtkegeln, unsere Nacht war orangefarben und grünlich, wie es die Nächte des nassen Madrid so oft sind. Custardoy schaute noch immer nach oben mit seinem weißen, obszönen Fleck. ›Geh weg‹, sagte ich zu ihm mit meinem krankhaften Hirn. In diesem Augenblick hob er eine Hand an den Hut, verließ die Dachtraufe, mit der anderen Hand den hochgeschlagenen Jackettkragen haltend, bog um die Ecke und entschwand meinem Blick, durchnässt wie ein Verliebter oder wie ein Hund.
W er hat keinen Verdacht, wer hat keinen Zweifel gehegt in Bezug auf seinen besten Freund, wer hat sich nicht verraten und verkauft gesehen in seiner Kindheit, in der Schule findet man bereits, was einen später in der begehrten Welt erwartet, die Hindernisse und die Treulosigkeiten, das Schweigen und die Falle, den Hinterhalt; es gibt auch irgendeinen Klassenkameraden, der sagt ›Ich bin es gewesen‹, die erste Form, Verantwortung zu übernehmen, das erste Mal im Leben, dass man sich gezwungen sieht zu sagen oder hört:
›I have done the deed‹
, und später, in dem Maße, wie man wächst und die Welt weniger Welt wird, weil sie sich nicht außerhalb unserer Reichweite befindet, sagt und hört man das immer weniger, die Sprache der Kindheit gibt man auf, man zieht sie zurück, weil sie zu schematisch und simpel ist, aber diese ungeschminkten und absurden Sätze, die sich damals nach Heldentaten anhörten, verlassen uns nicht ganz, sondern leben weiter in den Blicken, in den Haltungen, in den Zeichen, in den Gebärden und in den Tönen (die Ausrufe, das Unartikulierte), die auch übersetzt werden können und müssen, weil sie oft deutlich sind und wirklich
etwas
sagen und sich wirklich auf die Tatsachen beziehen (der hemmungslose Hass und die unvermischte Liebe), ohne die Qual eines Vielleicht und eines Womöglich, ohne die Verpackung der Worte, die nicht so sehr dazu dienen, bekannt zu machen oder zu berichten oder mitzuteilen als dazu, zu verwirren und zu verbergen und von Verantwortung zu befreien, die Sprache ebnet Dinge ein, die als Handlungen unterscheidbar sind und nicht vermischt werden können. Jemanden küssen oder töten sind vielleicht gegensätzliche Dinge, aber den Kuss erzählen und den Tod erzählen macht beides einander gleich und verbindet es, es stellt eine Analogie her und stiftet ein Symbol. Im Erwachsenenleben, das von den Worten beherrscht wird, hört man kein Ja und Nein, niemand sagt ›Ich bin es gewesen‹ oder ›Ich bin es nicht gewesen‹, aber all das wird weiterhin
gesehen
, fast immer ›Ich bin es nicht gewesen‹, die Heldentaten haben sich auf die Seite der Irrtümer geschlagen.
Wer hat keinen Verdacht gehegt, und bei einem Verdacht lassen sich zwei
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