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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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bewunderten Ingres haben wollte; als der Direktor sie vor der Übergabe ohne Rahmen im Zimmer seines Hotels sah (welches das Plaza in Buenos Aires war), verliebte er sich so sehr in sie, dass er nicht einmal hören wollte, es handle sich um eine Imitation; mein Vater erklärte ihm tausendmal die Herkunft und die Bestimmung dieses Bildes und dass das Original sich in Montauban befinde, aber der Bankier war überzeugt, dass er ihn täuschen wollte und das Meisterwerk auf nicht ganz ehrlichem Wege für andere Kunden beschafft hatte, das in Montauban müsse falsch sein. »In diesem Fall«, sagte mein Vater, hätte er ihm gesagt, außerstande, ihn zu überzeugen, »wenn Sie es mir als echt abkaufen, werden Sie mir den echten Preis zahlen müssen.« Dieser abschreckende Satz verwandelte sich für den Bankier in den Beweis dafür, dass er recht hatte. »Nie hat Custardoy mit einem einzigen Stück so viel Geld verdient«, sagte mein Vater. »Schade für uns, dass es nicht noch mehr so verblendete Bank- oder Museumsdirektoren gab. Schade, dass sie mir gewöhnlich blind vertrauten und wir das nicht als Methode benutzen konnten.« Und er fügte entzückt hinzu, während er gemeinsam mit Luisa lachte: »Ich habe nichts mehr von ihm gehört, das war mir lieber so. Ich hoffe, dass niemand diesen Bankier der Unterschlagung angeklagt hat.« Mein Vater hatte seinen Spaß, und auch Luisa hatte ihren Spaß, aber er sehr viel mehr, ich dachte, dass sie von ihm bekommen könnte, was sie wollte, und das dachte ich nicht aufs Geratewohl, sondern auch im Gedanken an das, was sie von ihm erfahren wollte und ich nicht, wie ich glaube, obwohl ich auch nicht aufhörte, daran zu denken, das heißt, ich zerstreute nicht ganz, was man vielleicht auch einen Verdacht nennen konnte, ich vermute, man kann nicht mit mehreren zugleich leben, deshalb schaltet man zuweilen einige aus – die unwahrscheinlichsten, oder vielleicht sind es die wahrscheinlichsten; die, die noch nicht Vergangenheit sind, die, aufgrund derer wir uns gezwungen sehen könnten, noch zu handeln, und die uns Angst und Mühe machen und die konkrete Zukunft verändern würden – und nährt andere: Diejenigen, die, wenn sich die Tatsachen bestätigen, unwiderruflich scheinen und nur die Vergangenheit und die abstrakte Zukunft verändern. Ich glaube, dass ich jeden Verdacht in Bezug auf Luisa ausschaltete, hingegen musste ich den noch nicht formulierten in Bezug auf meinen Vater nähren, oder es war Luisa, die es an jenem Abend, kurz bevor Custardoy klingelte, auf sich nahm, mich mit lauter Stimme daran zu erinnern, denn inmitten des Lachens und des Lächelns und der Anekdoten, die ich zum ersten Mal hörte, sagte sie in bewunderndem Ton zu Ranz, wobei sie ihn mit ›Sie‹ ansprach, wie sie es immer vorgezogen hat:
    »Es wundert mich wirklich nicht, dass Sie so oft geheiratet haben, Sie sind eine unerschöpfliche Quelle von kaum glaublichen Geschichten, die gerade deshalb so unterhaltsam sind.« Und sie fügte sogleich hinzu, als wollte sie ihm Gelegenheit geben, auf den zweiten Teil zu antworten und sich nicht auf den Ersten zu beziehen, wenn er nicht wollte, auf das, was sie bisher gesagt hatte (es war ein Zeichen von Respekt): »Viele Männer denken, dass Frauen das Bedürfnis haben, sich sehr geliebt und umworben, ja verwöhnt zu fühlen, dabei geht es uns vor allem darum, unterhalten und damit daran gehindert zu werden, zu sehr an uns selbst zu denken. Das ist einer der Gründe, weshalb wir gewöhnlich Kinder wollen. Sie müssen das sehr gut wissen, sonst hätte man Sie nicht so geliebt.«
    Ich fühlte mich nicht angesprochen, im Gegenteil. Ich erzählte Luisa viele kaum glaubliche Geschichten, auch wenn ich bis zu jenem Augenblick die von ›Bill‹ und Berta verschwiegen hatte, die sie sehr unterhalten hätte; aber diese Geschichte war auch meine, und deshalb verschwieg ich sie vielleicht. Die von Guillermo und Miriam hatte ich verschwiegen, bis Luisa sie erwähnte und ich erfuhr, dass sie auch ihr gehörte, und an dem Tag, an dem wir uns kennenlernten, hatte ich beim Übersetzen einige der Dinge, die die Staatenlenker gesagt hatten (vor allem der unsere), verschwiegen oder verändert, die ich als schlechte Einfälle oder ungebührlich oder tadelnswert empfunden hatte. Bei jener Gelegenheit hatte meine Zensur jedoch nicht Luisa betroffen, die so viel wie ich oder mehr verstand, beide Sprachen, sie war die ›Ko‹. Schweigen und Sprechen sind Formen, in die Zukunft

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