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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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seinem Versuch Abstand nehmen. Er dachte, es sei vielleicht besser, ihn hinzuhalten, ohne dass er die Flamme ansetzte (und bituminöse Substanzen verbrannte), bis das Feuerzeug leer wäre, aber das konnte zu lange dauern, wenn das Feuerzeug zu allem Unglück gerade erst gekauft worden war. Er dachte auch daran, laut um Hilfe zu rufen, jemand würde erscheinen, Mateu würde überwältigt werden und das Feuer nicht auf andere Bilder übergreifen, aber das hieße Abschied nehmen vom einzigen sicheren Rembrandt von der Hand Rembrandts im Prado, Abschied von Sofonisba und Abschied von Artemisia und auch von Mausolos und Masinissa und Saskia und Syphax. Er fragte ihn abermals:
    »Aber Mateu, Mensch, mögen Sie es denn gar nicht?«
    »Ich habe diese dicke Kuh satt«, antwortete Mateu. Mateu ertrug Sofonisba nicht. »Ich mag diese dicke Kuh mit ihren Perlen nicht«, insistierte er (und es stimmt, dass Artemisia auf dem Rembrandt dick ist und Perlen um den Hals und über der Stirn trägt). »Die kleine Dienerin, die ihr den Kelch reicht, wirkt viel hübscher, aber es ist einfach nicht möglich, ihr Gesicht richtig zu sehen.«
    Mein Vater konnte nicht vermeiden, eine spöttische, das heißt überraschte und logische Antwort zu geben:
    »Ja«, sagte er, »so wurde es gemalt, klar, die Dicke von vorne und die Dienerin von hinten.«
    Der Pyromane Mateu ließ das Feuerzeug ab und zu ein paar Sekunden lang verlöschen, aber er entfernte es nicht von der Leinwand, und nach diesen Sekunden ließ er es wieder brennen und wärmte den Rembrandt. Ranz schaute er nicht an.
    »Das ist ja das Schlimme«, sagte er, »dass es für immer so gemalt ist und dass wir nie wissen werden, was los ist, sehen Sie, Herr Ranz, es ist unmöglich, das Gesicht des Mädchens zu sehen oder zu wissen, was die Alte im Hintergrund soll, das Einzige, was man sieht, ist die Dicke mit ihren beiden Ketten, die nie den Kelch nimmt. Sie soll ihn verdammt nochmal endlich austrinken, damit ich das Mädchen sehen kann, wenn es sich umdreht.«
    Mateu, ein Mann, der an das Wesen der Malerei gewöhnt war, ein Mann von sechzig Jahren, der seit fünfundzwanzig Jahren im Prado arbeitete, wollte plötzlich, dass die Szene eines Rembrandt weiterginge, die er nicht verstand (niemand versteht sie, zwischen Artemisia und Sofonisba liegen Welten, es geht darum, einen Toten zu trinken oder den Tod zu trinken, das Leben zu intensivieren oder zu sterben, es zu erweitern oder sich umzubringen). Es war absurd, aber Ranz verzichtete noch nicht darauf, ihm mit Vernunftgründen zu kommen:
    »Aber verstehen Sie doch, das ist nicht möglich, Mateu«, sagte er zu ihm, »die drei sind gemalt, sehen Sie denn nicht? Gemalt. Sie haben viel Kino gesehen, das ist kein Film. Sie müssen verstehen, dass man sie nicht anders sehen kann, das ist ein Gemälde. Ein Gemälde.«
    »Deshalb mach ich es hin«, sagte Mateu, während er erneut mit dem brennenden Feuerzeug über die Leinwand strich.
    »Außerdem«, fügte mein Vater hinzu, um ihn abzulenken und auf Genauigkeit erpicht (mein Vater ist pedantisch), »das über der Stirn ist keine Kette, sondern ein Diadem, auch wenn es aus Perlen ist.«
    Doch Mateu schenkte seinen Worten keine Beachtung. Er blies sich mechanisch ein paar Fusseln von der Uniform.
    Der freihändig gehaltene Feuerlöscher richtete Verheerungen in Ranz’ Handgelenken an, er verzichtete daher darauf, ihn zu verbergen, und nahm ihn in die Arme wie ein Baby, sein Karminrot gut sichtbar. Der Wächter Mateu bemerkte das Gerät.
    »Hehe, was machen Sie denn damit«, sagte er in vorwurfsvollem Ton zu meinem Vater. »Wissen Sie nicht, dass es verboten ist, sie abzumontieren?«
    Mateu hatte sich schließlich umgewandt, als er den Krach hörte, der durch das ungeschickte Hantieren mit dem Feuerlöscher entstand, der auf seinem Weg vom Rücken in die Arme auf dem Boden aufschlug und diesen splittern ließ, aber mein Vater wagte nicht, diesen Moment der Bestürzung auszunutzen. Er gab ihm jedoch zu denken.
    »Keine Sorge, Mateu«, sagte er, »ich nehme ihn mit, weil er repariert werden muss, der funktioniert nicht.« Und er nutzte die Gelegenheit, um ihn mit großer Erleichterung auf dem Boden abzustellen. Er holte das kirschfarbene seidene Taschentuch heraus, das er zur Zierde in der oberen Jackentasche trug, und trocknete sich die Stirn, ein Taschentuch, das sich angenehm anfühlte und roch, es diente mehr zum Schmuck als zum Gebrauch, es passte zum Feuerlöscher.
    »Ich sage Ihnen, dass ich

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