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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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ich zurückkomme.«
    »Schön, wenn ich es aushalten kann, warte ich, bis du wiederkommst. Wenn nicht, leg ich es dir auf den Fernseher, und du schaust es dir an, bevor du ins Bett gehst, dann können wir morgen darüber reden.«
    »Warum sehen wir es nicht jetzt?«
    »Nein, ich bin noch nicht vorbereitet. Ich will ein paar Stunden abwarten, wissen, dass ich es habe, und es noch nicht anschauen. Ich werde versuchen, so lange wie möglich auf dich zu warten.«
    Ich war kurz davor, meine Verabredung abzusagen. Berta sah das Video lieber mit mir, um beschützt zu sein, während sie es sah, oder um ihm die visuelle Bedeutung zu geben, die sie ihm verbal schon seit Tagen gab. Das war ein Ereignis, vielleicht ein feierliches, man muss den Dingen Bedeutung geben, die für die Freunde bedeutend sind. Aber meine Verabredung war ein halber Arbeitstermin, ein hoher spanischer Beamter und Freund meines Vaters, zu Besuch in der Stadt, mit einem akzeptablen, unsicheren Englisch, hatte mich gebeten, ihn und seine Frau (sie jünger) zu einem Abendessen mit einem anderen Ehepaar, einem nordamerikanischen Senatsmitglied und seiner nordamerikanischen Frau (sie jünger) zu begleiten, um die Damen zu unterhalten, während die Männer über schmutzige Geschäfte sprachen, und ihm mit Englisch auszuhelfen, wenn er es brauchte, was wahrscheinlich war. Die Damen erwiesen sich nicht nur als jünger, sondern als überkandidelt und vergnügungssüchtig und bestanden nach dem Abendessen darauf, tanzen zu gehen, was sie auch durchsetzten: Sie tanzten stundenlang mit mir und mit anderen (nie mit ihren Ehemännern, die in den Schmutz vertieft waren), und sie tanzten sehr eng, vor allem die Spanierin, deren Brüste gegen meine Brust mir silikonhaltig erschienen, etwa wie nasses Holz, ich wagte nicht, Fingerproben zu machen. Sie besaßen Geld und Lebensart, diese beiden Paare, sie machten Geschäfte, sie injizierten sich Plastik, sie sprachen mit Sachkenntnis über Kuba, sie gingen in Lokale, in denen eng getanzt wurde.
    Ich kam nach zwei Uhr heim, zum Glück war am nächsten Tag Sonnabend (eben weil Freitag war, hatte ich mich zu diesem Abend bereitgefunden). Es brannte die Lampe, in deren Licht Berta gelesen hatte und las und die sie anzulassen pflegte, wenn sie zu Bett ging und ich noch nicht gekommen war, oder die ich im umgekehrten Fall anließ. Ich war nicht müde, in meinen Ohren klang noch die Musik, zu der ich mit den beiden vergnügungssüchtigen Damen getanzt hatte, und der Klang der männlichen Stimmen, die Pläne für das neue Kuba schmiedeten (ich hatte etliche Male übersetzt, die Schwierigkeiten des Beamten). Ich schaute auf die Uhr, obwohl ich wusste, wie spät es war, und dann erinnerte ich mich an Bertas Ankündigung, ›Ich werde versuchen, so lange wie möglich auf dich zu warten‹. Sie hatte nicht bis zum Ende des Tanzes auf mich warten können. Auf dem Fernseher lag, wie sie gesagt hatte, ein Videoband mit einer Karte, der Karte von ›Bill‹ (›es kann sein, dass dies mein endgültiger Name ist‹), von der ich bereits gesprochen habe. Das Band war kurz, wie es die persönlichen gewöhnlich sind, es war abgelaufen und nicht zurückgespult worden. Ich legte es ein, um an den Anfang zu kommen, ich hatte noch immer meinen Mantel an. Ich setzte mich auf ihn, wobei ich ihn zerknitterte, die Schöße, das soll man nie tun, danach sieht man wochenlang wie jemand ohne Papiere aus. Ich startete das Video und begann zu schauen, auf meinem Mantel sitzend. Während der drei oder vier aufgenommenen Minuten änderte sich die Einstellung nicht, es war immer dieselbe, die Kamera unbeweglich, und was man sah, war ein gesichtsloser Oberkörper, der Ausschnitt schnitt den Kopf des Mannes oben ab (man sah seinen Hals, den Adamsapfel), und unten reichte er nur bis zur Taille, der Körper aufrecht. Dieser Mann war im Bademantel, ein frisch erworbener oder gewaschener blassblauer Bademantel, vielleicht einer von denen, die teure Hotels ihren Kunden zur Verfügung stellen. Oder vielleicht nicht, denn in Höhe der Brust, auf der linken Seite, waren zwei diskrete Initialen zu sehen, › PH ‹, vielleicht hieß er Pedro Hernández. Man sah auch seine Unterarme, er hatte sie verschränkt und verbarg dabei die Hände, die Ärmel des Bademantels waren nicht sehr lang, ein Kimono-Modell, das die behaarten, kräftigen und vielleicht langen Arme sehen ließ, verschränkt und reglos, trocken, nicht nass, er war nicht soeben aus der Dusche oder der

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