Mein Herz so weiß
nackt sehen. So genau wie möglich. Du sagst, du hast einen Unfall gehabt. Du sagst, du hinkst ein wenig. Ein wenig. Aber du lässt mich nicht sehen, wie wenig dieses Wenig ist. Ich möchte dieses verletzte Bein sehen. Wie es aussieht. Deine Titten sehen. Deine Möse. Wenn möglich, weit offen. Deine Titten sehen. Deine Möse. Sie müssen schön sein. Erst, wenn ich sie gesehen habe, könnten wir eine Verabredung treffen. Das ist so. Wenn deine Titten und deine Möse und dein Bein mich überzeugen, dass es sich lohnt, das Risiko einzugehen. Wenn es dich noch interessiert. Vielleicht willst du nicht weitermachen. Du wirst denken, dass ich sehr direkt bin. Brutal. Grausam. Ich bin nicht grausam. Ich kann nicht viel Zeit verlieren. Ich kann kein unnötiges Risiko eingehen. Du gefällst mir. Du bist sehr hübsch. Ich meine es wirklich. Du bist sehr hübsch. Du gefällst mir sehr. Aber mit dem, was du mir geschickt hast, weiß ich so wenig von dir wie du jetzt von mir. Ich habe sehr wenig von dir gesehen. Ich bin nicht grausam. Ich will mehr sehen. Schick mir das. Schick es mir. Dann werde ich mich zeigen. Wenn es sich lohnt. Ich glaube, es wird sich lohnen. Ich will dich noch immer ficken. Jetzt noch mehr. Jetzt noch mehr. Das ist so.‹ Die Aufnahme lief noch ein paar Sekunden weiter, nunmehr ohne Stimme, die gleiche Einstellung, das behaarte Dreieck und die verschränkten Arme, die schwarze Uhr am rechten Handgelenk, der ruhige Adamsapfel, der sich beim Sprechen bewegt hatte, die Hände verborgen, ich konnte nicht sehen, ob er einen Ehering am Ringfinger trug wie Guillermo, ich hatte ihn von meinem Balkon aus gesehen. Dann erhob der Oberkörper sich und trat links aus dem Bildfeld hinaus (die ganze Zeit der lange Bademantel), und ein paar Sekunden lang konnte ich sehen, was er bislang verdeckt hatte, ein Kissen, ein ungemachtes großes Bett oder Ehebett, an dessen Fußende er sich für die Filmaufnahme gesetzt hatte. Unmittelbar danach erschienen Streifen auf dem Bildschirm, und der Zeitanzeiger blieb stehen, es war ein neues Band, eines von diesen Fünfzehn- oder Zwanzig-Minuten-Bändern, die allmählich die Briefe beziehungsweise die Fotografien ersetzen, da die Briefe schon längst ersetzt worden sind. Als ich den Bildschirm ausschaltete und sein Licht verlosch, das sehr viel stärker ist als das der Leselampe, sah ich Berta hinter mir, widergespiegelt in dem jetzt dunklen Glas, und drehte mich um. Sie stand im Morgenmantel da, mit müdem oder vielmehr schlaflosem Gesicht, wie viele Male mochte sie das Video vor meiner Ankunft gesehen und gehört haben, und jetzt war sie aus ihrem Schlafzimmer gekommen, um es erneut zu sehen, in meiner Gesellschaft oder während ich es zum ersten Mal sah. Sie hatte die Hände in den Taschen des Morgenmantels vergraben, sie war barfuß, das Haar zerwühlt, weil sie sich bestimmt auf dem Kopfkissen hin- und hergewälzt hatte, sie war hübsch, ungeschminkt. Sie würde hinken, wenn sie liefe, sie war barfuß. Sie rührte sich nicht. Die Musik meiner Tänze war aus meinem Kopf verschwunden, aber nicht das Kuba der Unterhaltung. Sie nahm die Hände aus den Taschen und verschränkte die Arme, wie ›Bill‹ es getan hatte, um sich an sie zu wenden und sich nicht zu zeigen; sie lehnte den Rücken gegen die Wand und sagte:
»Du siehst also.«
Mein Mantel sah immer scheußlicher aus. Ich stand auf.
»Ich sehe«, sagte ich.
A n den folgenden Tagen wartete ich, dass Berta erneut von ihm sprechen würde, von ›Nick‹ oder ›Jack‹ oder ›Bill‹ oder ›Sichtbarer Arena‹ oder vielleicht Pedro Hernández oder aber Guillermo von Miriam, obwohl ich sofort dazu neigte, diese Möglichkeit zu vergessen, denn wir misstrauen immer unserem ersten Eindruck, wenn er sich auf etwas oder jemanden bezieht, der uns einen zweiten und einen dritten und mehr aufzwingt und dessen Worte oder dessen Bild zu lange in unserer Erinnerung bleiben, wie ein tanzbares Lied, das in unserem Denken tanzt. Aber in dieser Zeit, während des Wochenendes unmittelbar danach (den ganzen Sonnabend und Sonntag) sagte Berta nichts oder wollte das Thema nicht ansprechen, sie ging wie abwesend in der Wohnung umher und hinaus, nicht schlecht gelaunt, aber auch nicht gut gelaunt, ohne die heitere Nervosität der Tage des Wartens, vielleicht stellte sie mir mehr Fragen als sonst, nach meinen Plänen, nach meiner noch jungen Ehe und Wohnung, nach meinem Vater und nach Luisa, die sie nur vom Foto und vom Telefon her kannte. Wenn
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