Mein Herz springt (German Edition)
mich jetzt auf den Weg in die Kanzlei machen. Frieda ist schon im Kindergarten. Ruf sie doch heute Abend noch einmal an!«
»Das mache ich. Versprochen. Einen schönen Tag, Kalle! Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch, Betty.«
Ich versuche jetzt, nicht mehr nachzudenken. Ich nehme eine Dusche, mache mich fertig und starte in Richtung Kongress. Mir fällt ein, dass ich kein Programm für heute geplant habe. Und wenn ich es mir recht überlege, habe ich auch keine Lust auf Stillsitzen und Zuhören. Ich entschließe mich kurzerhand für einen Bummel durch Wien. Ich werde es mir heute richtig gut gehen lassen. Ein bisschen durch die Einkaufsläden stöbern, den einen oder anderen Kaffee Melange trinken. Und auf jeden Fall am Naschmarkt zu Mittag essen. Das hat uns Hainer vorgestern wärmstens empfohlen.
Meine Gedanken an Hainer erinnern mich sofort an Lisa. Ich schreibe ihr eine kurze SMS: »12.30 am Naschmarkt?«
Die Antwort kommt ein paar Sekunden später: »Bin dabei. Mit Hainer und Guru?»
Ich: »Gerne mit Hainer. Der Guru ist auf dem Weg nach Montreal.«
Lisa: »O. k. Ich frag Hainer. Bis später.«
Als ich durch die Wiener Innenstadt schlendere, fühle ich mich leicht und beschwingt. Ich habe Lust, mir an diesem Vormittag etwas ganz Besonderes zu gönnen. Als Erinnerung an ein ganz besonderes Erlebnis, an einen ganz besonderen Abend. Ich entscheide mich für einen eleganten, roten, nachallen Seiten hin weit ausgeschlagenen Sommerhut. Ich stimme der Verkäuferin zu: Er ist wie für mich gemacht. Und da die Sonne am Wiener Himmel steht und kein Wölkchen weit und breit zu sehen ist, setze ich ihn gleich auf. Ich strahle vor Freude. Beim Blick in die sich spiegelnden Schaufenster sehe ich eine glückliche Frau. Eine Frau, die durch ihre Bewegung und ihren Anmut Lebenslust ausstrahlt. Mir wird bewusst, dass ich mit diesem Spiegelbild zufrieden bin. Der Weg, der mich über die vielen Jahre dorthin geführt hat, war der richtige. Aber wo wird er mich noch hinbringen?
Für meinen tollen Kauf belohne ich mich am nächsten Straßen-Café mit einem heiß ersehnten Kaffee Melange. Ich werfe einen Blick auf mein Handy. Eine neue Nachricht von Lisa: »Hainer kommt mit. 12.30 Uhr Rechte Wienzeile Ecke Schleifmühlgasse.«
Ich antworte: »Freue mich.«
Ich überlege mir, ob ich Hainer gleich nach Hannos Telefonnummer fragen soll. Oder ist das komisch? Hainer wird sich sicherlich wundern und fragen, weshalb mir Hanno seine Nummer nicht selbst gegeben hat. Das hätte er auch tun können. Nein, hätte er nicht, widerspreche ich mir selbst. Eine solch banale Frage hätte den Augenblick des gestrigen Abends zerstört. Sie stand keine Sekunde zur Debatte. Etwas in mir sagt, dass das, was passiert ist, einen Sinn hat. Dass es weitergehen wird. Keine Ahnung, wann. Aber es muss weitergehen. So viel steht fest.
Um kurz nach halb eins komme ich zu unserem Treffpunkt am Naschmarkt. Lisa und Hainer stehen schon da und warten. Zur Begrüßung nehme ich beide fest in den Arm. Hainer scheint etwas überrascht, revanchiert sich aber durch einen dicken Kuss auf meine Wange. Wir nehmen an einem kleinen Stand mit orientalischer Küche Platz. Der Duft nach Reis und Curry treibt unserenHunger an. Ich bestelle einmal Tandori Chicken. Die beiden anderen schließen sich meiner indischen Vorlage an. Ich kann das Leben gerade unendlich genießen. Ich sitze in Wien, an einem berauschenden Ort, die Sonne scheint, das Leben tobt und ich habe zwei nette Menschen an meiner Seite. Und mehr noch: In mir ist die Erinnerung an einen ganz besonderen Abend – mit einem ganz besonderen Menschen. Ich halte kurz, fast andächtig inne. Morgen werde ich wieder nach Köln fahren und mich dem Alltag stellen. Ich freue mich auf meine Familie und meinen Job. Noch kann ich nicht abschätzen, welche Spuren Wien hinterlassen wird.
»Lisa sagte mir, dass du gestern noch mit Hanno unterwegs warst«, meint Hainer. »Von welcher atemberaubenden Seite habt ihr denn Wien kennengelernt?«
»Wir waren in der ›Fischer Bärbel‹, einem gemütlichen Restaurant an der Donau. Danach noch in der Weinbar.«
»Gute Entscheidung. Hätte ich nicht besser auswählen können«, bekräftigt Hainer.
Um schnell vom Thema abzulenken, kontere ich mit einer Frage: »Und ihr? Was habt ihr gestern unternommen?«
»Wieso bist du dir so sicher, dass wir gemeinsam etwas unternommen haben?«, antwortet Lisa, als hätte ich sie ertappt.
»Ich bin mir gar nicht sicher, Lisa. Meine Frage
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