Mein Herz springt (German Edition)
turtelt ihr durch Wien. Und dann hat sich der Austausch der Telefonnummern nicht ergeben? Das musst du mir erklären!«
»Ja, es hat sich einfach nicht ergeben. Wenn das Schicksal es will, werden wir uns wiedersehen«, entgegne ich bewusst hochtrabend und lächle Lisa zu.
»Und willst du, dass das Schicksal es will?« Lisa bleibt hartnäckig.
»Vielleicht.«
»Also ja.«
»Wir werden sehen. Ich halte dich auf dem Laufenden«, füge ich scherzhaft hinzu.
»Das will ich hoffen. Hainer meinte übrigens, dass er sich über Hanno und dessen Aufmerksamkeit Deiner Person gegenüber sehr wundere. Normalerweise gäbe es für ihn nur seinen Job und seine Familie. Die beiden Tage in Wien hätte er ihn anders erlebt. Dies nur noch kurz zu deiner Information«, zwinkert mir Lisa zu.
Ich beschränke meine Reaktion auf ein »Aha«, spüre aber, wie gut mir dieser Hinweis tut.
Wir stoßen noch einmal an und trinken den letzten Schluck aus unseren Gläsern. Wir drücken uns fest zum Abschied und versprechen uns, miteinander in Kontakt zu bleiben. Ich glaube ganz fest daran. Man bleibt oftmals mit Menschen in Kontakt, die einen in einer besonderen Situation begleitet haben oderzumindest in irgendeiner Form anwesend waren. So wie Lisa in Wien. Besondere Momente verbinden.
***
Die Heimreise nach Köln verschlafe ich größtenteils. Wie ein kleines, zufriedenes Kind schlummere ich auf meinem Zugsitz. Ich habe diesmal nicht das Bedürfnis, Zeitungen, Magazine und Bücher zu lesen. Nicht einmal der Ausflug zum Bistro reizt mich. Stattdessen hole ich den über die letzten Tage in Wien vermissten Schlaf nach. Und wenn ich dazwischen kurz aufwache, träume ich mit offenen Augen weiter. Seit meiner letzten Zugfahrt sind nur dreieinhalb Tage vergangen. Für mich fühlt es sich wie eine Ewigkeit an.
Kapitel III
»Darf ich die Weinflasche wegräumen?« Ein Mann mittleren Alters reißt mich aus meinen Gedanken. Er steht mit einem großen, orangefarbenen Müllsack vor mir und schaut mich mit seinen großen, schwarzen Augen erwartungsvoll an. Ich brauche ein paar Sekunden, um in die Realität zurückzukehren. Ein kurzer Blick auf die Flasche verrät mir, dass der Inhalt noch ein weiteres Glas füllen wird. Dankend lehne ich sein Angebot ab und schenke meine Aufmerksamkeit wieder dem Meer, das inzwischen wie ein dunkler Teppich, schwer und doch lebendig, vor mir liegt. Die Abenddämmerung lässt den Horizont wie einen glitzernden Saum einer sich zur Ruhe begebenden Landschaft wirken.
Die Luft kühlt ab. Ich lege mir ein leichtes Tuch über die Schultern und ziehe die Knie eng an meinen Oberkörper. Ich muss an Kalle, Frieda und die Kinder denken. Ob sie wohl gut in Köln angekommen sind? Ich frage mich plötzlich, ob meine Tochter erwartet hatte, dass wir zusammen nach Hause fahren. Ich war ihr noch eine Antwort schuldig. Genau das war der Grund, weshalb ich in Domburg geblieben bin. Aber woher sollte Frieda das wissen? Ich versuche, mich in Friedas Lage zu versetzen, ihre Gedanken zu rekonstruieren, die stummen Worte ihres Herzens zu verstehen.
Ich krame einen etwas zerflatterten Brief aus meiner Handtasche. Er hat es sich über die letzten Monate in einem Seitenfach unauffällig gemütlich gemacht. Ein zweites Mal lese ich Matthias‘ Worte, die er gleichsam anstatt eines Abschiedsbriefes an mich gerichtet hat:
Liebe Betty,
entschuldige bitte vorab diese feige Art und Weise, Dir meine Entscheidung und meine Beweggründe dafür mitzuteilen. Es ist mir aber wichtig, dass Du zumindest den Hauch einer Chance hast, mich zu verstehen. Gleichwohl bin ich mir darüber mehr als im Klaren, dass ich Frieda und damit auch Deine Familie sehr verletze. Entschuldige also nicht nur diesen Brief, sondern vielmehr das Leid, das ich Euch gerade jetzt durch meinen Egoismus zufüge.
Ich frage mich selbst immer wieder, wie es dazu kommen konnte. Ich liebe Frieda und die Zwillinge so sehr. Und doch scheint diese Liebe nicht mehr für ein gemeinsames Leben auszureichen. Wäre es nur die Routine, die zweifelsohne durch die beiden Mädchen in unseren Alltag eingekehrt ist; wäre es nur das Wissen, dass all dies lediglich eine anstrengende, herausfordernde Phase ist, die sich schon bald in Ruhe, Wohlwollen und alte Lebensfreude wandelt; wäre nur ein Funke von Hoffnung da, dass alles wieder wie früher sein könnte, hätte ich vielleicht den Mut, für das Wertvollste in meinem Leben und gegen meine unbändigen Gefühle zu kämpfen.
Sicherlich hat Dir Frieda
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