Mein Herz springt (German Edition)
haben.
»Soll ich Sie nicht besser zurück ins Hotel bringen? Wenn es Ihnen nicht gut geht, können Sie den Abend eh‘ nicht genießen. Und wenn ich mir die Gäste so angucke, sieht es eher nach einem anstrengenden Vorhaben aus.«
Erst jetzt nehme ich überhaupt etwas um mich herum wahr. Ich sehe zu meiner Linken eine wunderschöne Villa im Jugendstil, die dezent beleuchtet ist. Davor hohe Bäume, die mit weihnachtlichen Lichterketten behangen sind. Rechts von mir liegt die Alster wie ein großer, schwarzer Teppich – gesäumt von den Lichtern der Stadt im Hintergrund. Das Wasser vermittelt ein Bild des Friedens und der Ruhe. Es beginnt leicht zu schneien. Was für eine Idylle, denke ich mir. Selbst die Gäste, die kurz vor dem offiziellen Beginn der Feier in kleinen Trauben durch den Vorgarten der Villa in Richtung Eingangstor gehen, wirken surreal – wie Statisten eines Filmausschnittes. Sie sind elegant gekleidet. Die Frauen in Kleidern, die unter ihren schweren Wintermänteln hervorspitzen. Fast alle tragen dazu feierliche Hochsteckfrisuren. Die Eleganz der Männer kommt durch ihre dunkle Erscheinung und den behäbigen Gang zum Ausdruck. In Summe das perfekte Ambiente für einen Abend wie diesen.
Ich beantworte noch kurz die Frage des Taxifahrers: »Nein. Das ist nett von Ihnen. Aber es geht mir besser.« Ich gebe ihm fünf Euro Trinkgeld, atme noch einmal kräftig durch und steige aus dem Auto.
»Die Wasserflasche dürfen Sie hierlassen. Dort drüben trinkt man sicherlich feinere Tröpfchen«, erinnert mich mein Verbündeter schmunzelnd.
Und irgendwie ist diese Situation gerade so lustig, dass ich laut loslachen muss.
»Entschuldigen Sie. Natürlich. Auch wenn ich mich zugegebenermaßen gerne noch länger an Ihrer Flasche festgehalten hätte. Sie vermittelt mir ein Gefühl der Sicherheit.«
Der Taxifahrer schüttelt den Kopf. »Was ist denn da drinnen los, dass Sie so aufgeregt sind? Kommt die Kanzlerin zu Besuch?«
»Nein. Nicht einmal der Bürgermeister von Hamburg. Keine A, B oder C-Promis – nur Ärzte.«
»Klingt langweilig«, erwidert der Taxifahrer humorvoll. »Dann bin ich ja froh, dass ich die Nacht in meinem Auto verbringen darf.«
Ich lächele: »Ja, und um ehrlich zu sein, beneide ich Sie gerade in diesem Moment darum.«
»Wird schon gut werden«, muntert mich mein Verbündeter im Taxi auf. »Das habe ich im Gefühl.«
»Das weiß ich sehr zu schätzen. Danke – für die Fahrt und Ihre Zeit danach. Ich wünsche Ihnen viele Fahrgäste heute Nacht! Machen Sie es gut!«
Ich schreite langsam auf das Eingangstor der Villa zu. Ich hoffe, dass keiner der Gäste meinen durch die zittrigen Knie wackelig wirkenden Gang wahrnimmt. Betty, jetzt reiß‘ dich zusammen, ermahne ich mich selbst. Das ist der Abend, auf den du Wochen lang gewartet hast.
Und plötzlich nehme ich meinen Namen hinter mir wahr: »Betty, warte auf mich.«
Ich drehe mich kurz um und erkenne Torben, einen Kollegen aus dem Hamburger Forschungsteam. Für ihn ist der Abend ein Heimspiel. Er kommt aus der Hansestadt und ist in Hannos Klinik beschäftigt. Mir fällt ein Stein vom Herzenaus Freude vor dem bekannten Gesicht. Ich drücke Torben zur Begrüßung fest an mich und denke: Dich hat mir der Himmel geschickt.
»Schön, dich zu sehen, Torben«, flüstere ich ihm ins Ohr.
Torben wirkt etwas überrascht über meine stürmische Geste der Begrüßung, antwortet aber gleichermaßen erfreut: »Ja, schön, dich zu sehen, Betty. Du siehst fantastisch aus.«
»Danke.« Das Kompliment tut mir gut. Und ich spüre, dass ich ein bisschen lockerer werde. Torben und ich betreten gemeinsam das Foyer der Villa. An der Garderobe nimmt mir Torben zuvorkommend den Mantel ab und reicht ihn der Dame hinter dem Garderobentresen.
Danach wendet sich Torben voller Tatendrang zu mir: »Komm‘ Betty, ich organisiere uns jetzt erst einmal ein Glas Champagner. Wir müssen den Abend gebührend eröffnen!«
Ich fühle mich wie ausgetrocknet. Ich stimme Torben zu und begleite ihn auf dem Weg zur nächsten Hostess, die auf einem Tablett Champagner, Orangensaft und Wasser serviert. Torben reicht mir ein Glas Champagner und prostet mir zu: »Auf einen schönen Abend, Betty. Du könntest mich sehr glücklich machen, wenn ich heute Abend beim Dinner an deiner Seite Platz nehmen dürfte.«
Ich muss über Torbens sehr korrekte Ausdrucksweise schmunzeln und antworte strahlend: »Sehr gerne, mein Lieber. Ich könnte mir keinen besseren Tischnachbarn
Weitere Kostenlose Bücher