Mein Herz tanzt Tango
herumzuschreien?“
„Was würde das schon bringen? Wenn man der Welt einen Vorwurf macht, nützt einem das auch nichts. Man muss einfach das Beste aus dem machen, was einem zur Verfügung steht.“
In der Theorie klang das einfach, aber nach Jahren, in denen Dalton genau das getan hatte, war er es langsam leid, sich selbst und anderen vorzumachen, dass alles in Ordnung war.
Ganz besonders, seit einige kurze Begegnungen mit Rose Vasquez ihm gezeigt hatten, wie langweilig und leer sein Leben war. Er wünschte sich eine Familie und ein Leben außerhalb seines Büros. Aber als einziges Kind seiner Eltern ruhte die Last des Familienimperiums allein auf seinen Schultern.
„Da ist sie wieder“, sagte Rose und tippte auf die Falte auf seiner Stirn. „Werden Sie mir irgendwann verraten, was da in Ihrem Kopf vorgeht?“
Die Morgensonne schien Daltons Büro in zwei Hälften zu teilen: in Dunkelheit und Licht. Das passte zu seiner Laune.
Er warf seinen Aktenkoffer auf einen der beiden burgunderroten Besucherstühle, bevor er in seinen Bürosessel plumpste. Automatisch griff er nach dem Mittel gegen Sodbrennen, das er in seiner rechten oberen Schreibtischschublade aufbewahrte, und nahm einen Schluck. Dann lehnte er sich mit geschlossenen Augen zurück, so weit er konnte. Wie einfach wäre es, wenn sich das Chaos in seinem Leben durch einen Schluck Medizin beseitigen ließe!
Sein gesamtes Leben kreiste um die Vorstellung, dass es nobel von ihm war, seine eigenen Wünsche zugunsten seiner Familie aufzugeben. Er hatte ja einmal versucht, seine Träume zu verwirklichen, und war gescheitert. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als sein Schicksal anzunehmen. Vielleicht sollte er Miranda doch eine Chance geben. Oder anderen Frauen, die waren wie sie.
Eigentlich war er immer wütend auf seinen Vater gewesen, der ihm dieses Leben aufgezwungen hatte. Doch seit er in den letzten Tagen Zeit mit Rose und ihrer Tochter verbracht hatte, fragte er sich, ob sein Vater überhaupt wusste, was er seinem Sohn vorenthielt. Schließlich hatte sein Dad vor lauter Arbeit nie Zeit gefunden, um mit ihm zu spielen, so wie er mit Anna. Wahrscheinlich konnte er gar nicht spielen.
Dalton rieb sich mit den Handballen die Augen und seufzte.
Was war nur los mit ihm?
Warum kamen nur plötzlich all diese persönlichen Dinge hoch?
Wollte er wirklich behaupten, dass er mit seinem Leben unglücklich war, weil sein Vater nicht oft genug mit ihm gespielt hatte? Das war einfach lächerlich!
Dalton war ein erwachsener Mann. Wenn er die Bank verlassen wollte, das Gefängnis, in das er tagtäglich von sieben Uhr morgens bis sechs Uhr abends eingesperrt war, dann konnte er das auch tun.
Aber weil er schon seit frühester Jugend gelernt hatte, Verantwortung zu übernehmen und zu seinem Wort zu stehen, würde er seine Familie nicht im Stich lassen.
Er hatte ja ohnehin schon zusammen mit Carly versucht, sich mit seiner Kunst den Lebensunterhalt zu verdienen, doch es hatte hinten und vorne nicht gereicht.
Allerdings hatte er heute ordentliche Ersparnisse, auf die er zurückgreifen konnte, sodass er längere Zeit überhaupt nicht zu arbeiten brauchte. Vielleicht war es nur das, was ihm damals gefehlt hatte: Die Zeit, genügend Skulpturen zu schaffen, um eine beeindruckende Ausstellung zusammenzustellen.
Auf was für Gedanken er durch diese faszinierende Frau, mit der er erst wenige Stunden verbracht hatte, nur kam! Sie war clever, talentiert, witzig, wunderschön und sexy. Eine explosive Mischung, von der er sich am besten fernhalten sollte.
Doch er konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen!
„Nanu, haben Sie sich entschlossen, dem Tango noch eine Chance zu geben?“
Dalton zuckte die Achseln. Er wusste, dass Roses Nähe für ihn eine Gefahr darstellte, doch es war ihm trotzdem nicht gelungen, sich von ihr fernzuhalten.
„Nach unserer letzten Stunde hatte ich eigentlich nicht erwartet, dass Sie wiederkommen würden“, sagte sie.
Er konnte ihren Gesichtsausdruck hinter einem Schleier dunkler Haare nicht erkennen.
„Ich auch nicht. Aber als ich nach der Arbeit ins Auto stieg, ist es einfach hierhergefahren.“
„Vielleicht sollten Sie es zur Inspektion in eine Werkstatt bringen“, schlug Rose grinsend vor.
Dalton musste lachen. „Gute Idee“, stimmte er zu.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte ihn Rose schließlich, als sie wieder ernst waren, mit ihrer sanften Stimme.
Nein, gar nichts war in Ordnung.
„Sicher, alles bestens.“ Aber warum
Weitere Kostenlose Bücher