Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
Beifahrersitz klettere.
»Ich höre auf. Mit dem Schwimmen, der Highschool, dem Leben im Allgemeinen.«
»Was ist passiert?«
»Ich möchte nicht darüber reden.« Mein Handy piepst. Jules hat eine SMS geschickt, aber ich habe nicht mal Lust, ihr von der neuesten Katastrophe zu berichten. Sie erfährt es sowieso am Montag in der Schule, wo man mich schlimmer denn je schneiden wird.
Meine Mutter mustert mich von der Seite. »Na ja, was es auch war, bestimmt lässt es sich mit einem doppelten Schoko-Milchshake von Ridgeley’s Diner wieder einrenken. Lass uns doch dort essen.«
Ich weiß, dass das für meine Mom eine große Sache ist. Wir gehen nicht oft essen. Das können wir uns nicht leisten. »Danke«, murmle ich. »Aber ich möchte am liebsten nach Hause.«
»Delilah«, fragt meine Mutter stirnrunzelnd. »Geht es dir wirklich gut?«
»Alles bestens, Mom. Ich habe nur … eine Menge Hausaufgaben.«
Auf dem restlichen Heimweg vermeide ich erfolgreich jegliches Gespräch. Als wir in der Auffahrt halten, flitze ich sofort ins Haus und nach oben in mein Zimmer. Das Buch liegt immer noch auf dem Bett, wo ich es hingelegt habe.
Ich schlage es auf Seite 43 auf, wo es sich fast schon von selbst öffnet – der Buchrücken hat dort wahrscheinlich bereits einen Knick –, und finde Oliver am Fuße der Steilklippe. Er schenkt mir ein strahlendes Lächeln. »War es schön beim Schwimmtraining?«
Bis zum Ende der Schwimmstunde habe ich mich zusammengerissen. Auch im Umkleideraum, wo alle getuschelt und mich giftig angefunkelt haben, und während der zehnminütigen Fahrt nach Hause. Aber jetzt, vor Oliver, verliere ich die Fassung und breche in Tränen aus. Dabei fallen Tropfen auf die Buchseite. Einer landet auf Olivers Kopf und platzt dort wie eine Wasserbombe. Er ist vollkommen durchnässt.
»Entschuldige«, schniefe ich. »Ich hatte einen ziemlich schrecklichen Nachmittag.«
»Vielleicht kann ich dich ja aufmuntern«, meint er. Allein dass du da bist, muntert mich auf , denke ich und merke, dass nach der Sache mit Allie McAndrews Nase Oliver der einzige Mensch war, den ich sehen wollte.
Nur dass Oliver genau genommen kein Mensch ist.
Ich trockne mir die Augen. »Ich habe nur das beliebteste Mädchen der Schule quasi ertränkt – genau die, der ich letztes Jahr die Kniescheibe zertrümmert habe. Wenn ich am Montagmorgen zur Schule gehe, werden mich alle hassen.«
» Ich werde dich nicht hassen«, tröstet mich Oliver.
Ich lächle zaghaft. »Danke. Aber leider gehst du nicht auf meine Schule.«
»Oh, aber das könnte ich – vielleicht eher, als du denkst …«
Meine Augen werden kugelrund, als mir klar wird, wovon er spricht. »Hast du einen anderen Weg nach draußen gefunden?« Ich will viel lieber über Olivers Probleme sprechen als über meine eigenen.
»Tja, ich habe zumindest eine Art Portal gefunden! Ich war bei Rapscullio und er ist ein begnadeter Maler!«
» Maler ? Ich dachte, er ist ein Bösewicht!«
»Nein«, sagt Oliver. »Weißt du nicht mehr? Ich habe dir doch erzählt, dass das nur seine Rolle im Märchen ist. Jedenfalls hat er etwas entdeckt. Wenn er einen Gegenstand auf eine spezielle Leinwand malt, auf der seine Höhle exakt dargestellt ist … dann wird dieser Gegenstand wie durch Zauberhand real.«
»Auf diese Weise hat er Pyro, den Drachen erschaffen …«
»Genau. Aber offenbar funktioniert es auch, wenn die Geschichte nicht im Gange ist.«
Ich schüttle den Kopf. »Was soll das nützen? Rapscullio lebt ja nicht hier . Er kann dich nicht einfach in diese Welt malen.«
»Stimmt, aber ich denke, er könnte mich aus meiner Welt herausmalen .«
Darüber denke ich einen Augenblick nach. »Das wird nicht klappen. Du würdest nur irgendwo anders in deiner Geschichte noch einmal auftauchen. Wie ein Klon.«
»Ein Scone?«
»Nein, ein Kl… Ach, egal.« Aufgeregt stehe ich vom Bett auf und laufe im Zimmer auf und ab. »Wenn es allerdings einen Weg gäbe, ein Gemälde von meiner Welt in Rapscullios Höhle zu schaffen, ginge es vielleicht …«
»Ich dachte, du könntest einen kleinen Trosthappen …«
Beim Klang der Stimme wirble ich herum – meine Mutter steht mit einem Tablett im Türrahmen. Sie bringt mir ein Glas Milch und einen Käsetoast. Mom blickt sich im Zimmer um. »Mit wem redest du da eigentlich, Delilah?«
»Mit meinem … einem Freund.«
Erneut sieht meine Mutter sich um. »Aber hier ist doch keiner …«
»Oliver ist am Telefon«, sage ich schnell.
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