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Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Titel: Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Hannawald
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einem weiteren Test musste ich der Kraft, die mittels eines Schlittens von oben auf mich einwirkte, meine Beinkraft entgegensetzen und diese Kraft so lange wie möglich halten.
    Das Ergebnis all dieser Tests war auch in diesem Mai wieder sehr ernüchternd: Meine Werte lagen bei etwa 1600 Newton. Und sie hatten sich gegenüber dem Vorjahr nicht verbessert wie bei anderen Athleten aus dem A- und B-Kader. Martin Schmitt etwa, Alexander Herr, Christof Duffner oder Hansjörg Jäkle, sie glänzten mit Werten um 2000 Newton oder sogar 2200 Newton.
    Ein Newton ist die Kraft, die wir benötigen, um einen Körper der Masse 1 Kilogramm innerhalb 1 Sekunde auf die Geschwindigkeit 1 Meter pro Sekunde zu beschleunigen.
    Leicht fliegt weiter
    Diesmal durfte ich mich nicht beirren lassen. Ich musste einfach akzeptieren: So funktioniert mein Körper nun mal, er baut die Kraftreserven schneller ab. Wie aber konnte ich diesen Sprungkraft-Nachteil wettmachen? Es gelang mir ja teilweise schon durch mein besseres, mein »begnadetes« Fluggefühl – was mir die Trainer immer bestätigten. Durch systematisches Sprungkrafttraining würde ich nur teilweise aufholen können. Was also könnte ich noch machen, um vorwärtszukommen? Auf eine andere Skimarke umsteigen? Die Schuhmarke wechseln? An der Einstellung der Bindung herumtüfteln?
    Es gab vor allem noch ein Erfolg versprechendes Rädchen, an dem ich drehen konnte: mein Körpergewicht. Ich wusste, ich musste es mit weniger Gewicht versuchen.
    In der Springerszene war bekannt: Jedes Kilo Gewicht weniger bringt etwa einen Meter zusätzliche Weite. Der finnische Skisprungarzt Dr. Mikko Virmavirta konnte auf der Großschanze in Lathi nachweisen, dass Athleten für jedes Kilo, das sie abgenommen hatten, immerhin 1,7 Meter mehr Weite erzielten. Wir wussten auch, dass es der Österreicher Werner Rathmayr mal mit ultraleichten Skiern probiert hatte und auf diese Weise tatsächlich sechs Weltcupspringen gewinnen konnte. Und sein Mannschaftskollege Christian Moser (Körpergröße: 1,81 Meter) machte Schlagzeilen, als er sich auf 58 Kilo hungerte und so in die Weltspitze flog. Aber als leichter Vogel musste er dann auch eingestehen, dass er in die Abwärtsspirale einer krankhaften Magersucht geraten war.
    Ich wog damals 70 Kilo. Ich kam sportlich einfach nicht weiter. Mehr trainieren? Das ging nicht, ich trainierte ja schon sehr viel. Da dachte ich: Abnehmen ist die Chance. Nicht abrupt, sondern in kleinen Schritten. Ich begann, mich mit dem Thema Ernährung zu beschäftigen. Ich kaufte mir Ernährungsbücher, las das Magazin »Fit for Fun« – was ich vorher nie gemacht hatte.
    Der Spagat zwischen Athletik und Gewicht
    Es gibt bekanntlich nur einen Weg, wenn du Gewicht verlieren willst: Du musst einfach mehr Kalorien verbrennen, als du über die Nahrung aufnimmst. Aber wie? Radfahren kam für mich nicht infrage, weil ich mich kannte und immer gleich Jan Ullrich nacheiferte und die großen Gänge trat. Keine gute Idee, wenn man Skispringer ist. Denn große Gänge bescheren dir mehr Muskeln. Und weil Muskulatur schwer ist, bringen sie dein Körpergewicht nach oben. Also begann ich lieber mehr zu laufen.
    Alle in unserer Trainingsgruppe sind damals viel gelaufen. Ich lief jetzt noch mehr. Langsam, mit stetigem Tempo, aber über längere Distanzen. Statt 45 Minuten lief ich mindestens eine Stunde. Und manchmal auch mehr. Nämlich immer dann, wenn ich glaubte, »zu viel« gegessen zu haben. Ich begann jetzt, immer ganz genau zu rechnen, wie viele Kalorien ich aufgenommen hatte.

Diskussionsstoff Gewichtsmanagement
    Ich habe mich über jedes Gramm weniger gefreut

Wenn ich dieses Foto (links) heute sehe, kann ich verstehen, dass damals viele gedacht oder gesagt haben: Was für ein Hungerhaken. Der Hannawald ist doch magersüchtig. Damals habe ich solche Bemerkungen nicht verstanden, dieser Zustand war für mich normal, ich hatte eine verschobene Wahrnehmung. Es war damals tatsächlich so: Ich habe mich sogar über jedes Gramm weniger gefreut, weil ich überzeugt war, dass sich auf diese Weise meine Erfolgschancen noch zusätzlich verbessern würden.
    Nein, ich war nie magersüchtig. Unser Mannschaftsarzt, Dr. Ernst Jakob, der mich regelmäßig untersucht hat, machte mich darauf aufmerksam, dass ich mich auf einem schmalen Grat bewegte. Aber er attestierte immer wieder, dass meine Werte in Ordnung seien. Das beruhigte mich.
    Im Sommer 1999 sah der finnische Springerkollege Janne Ahonen dieses Urlaubsfoto

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