Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
weiter: 10. Platz in Garmisch-Partenkirchen, 2. Platz in Innsbruck. Und am 6. Januar 1998 konnte ich in Bischofshofen mein erstes Weltcupspringen gewinnen. Mehr noch: In der Tournee-Gesamtwertung punktete ich schließlich mit einem überraschenden 2. Platz und landete damit hinter dem dreimaligen Tagessieger Kazuyoshi Funaki (Japan).
In der Pressekonferenz meinte ich vor den versammelten Journalisten ziemlich arglos: »Diese Leistungsexplosion kann ich nicht erklären.« Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« schrieb: »In Sisyphusarbeit entwickelte sich ein Spitzensportler, der nun scheinbar wie ein Komet in die Weltspitze aufstieg.«
Und auch Reinhard Heß, unser Bundestrainer, hatte allen Grund zu frohlocken: »Wir haben so viel in den Jungen investiert und ihn nie fallen gelassen. Es war richtig, dass wir weiter auf ihn gesetzt haben. Bei dieser Tournee hat uns Sven viel zurückgegeben.«
Mein Durchbruch in die Weltspitze
Olympische Silbermedaille, Weltmeisterschafts-Gold (jeweils mit dem Team) und vor allem Weltmeister im Skifliegen: wie ich mich in der Hightech-Sportart etablierte
Völlig losgelöst: Mein Sport ist atemberaubend – besonders, wenn die Natur solch ein Licht zaubert.
Manche nennen ihn »Donnerbalken«. Das ist naheliegend, denn hier oben haben fast alle Skispringer vor allem eines, auch wenn sie es nicht sofort zugeben – Schiss. Du sitzt also auf dem Absprungbalken, blickst nach unten, und es ist, als würdest du in ein tiefes Loch schauen. Dann siehst du ganz da unten einen großen Ameisenhaufen. Das sind die Zuschauer, sie wirken so winzig. Dein Magen meldet ungewohnte Signale, du verspürst ein furchtbar mulmiges Gefühl. »Als er sich auf den Absprungbalken hockt, wirkt es, als müsse er seinen Kopf aufs Schafott legen.« So hat ein »Spiegel«-Reporter den Moment da oben beschrieben, in dem es kein Zurück mehr gibt.
Da oben auf dem Balken bist du sehr einsam und sehr allein. Und ganz klein. Du rückst noch einmal den Sprunghelm zurecht. Du nestelst an deiner Skibrille herum. Du atmest hektisch. Du stehst total unter Strom, dein Puls rast jetzt bestimmt mit 190 Schlägen pro Minute. Du hättest gerne, dass deine Nerven in diesem Moment robust wie Stahlseile sind, wie doch sonst fast immer. Aber jetzt flattern sie, als wären es seidene Fäden.
Angst ist kein Zeichen von Feigheit
Ist Angst das richtige Wort, um zu beschreiben, was beim Skifliegen mit unterwegs ist? Vielleicht. Und das ist gut so, denn Angst ist ja kein Zeichen von Feigheit, sondern ein natürlicher Schutzmechanismus. Oder ist es vielleicht Angstlust, dieses starke Gefühl, wenn du dich freiwillig einer Gefahr aussetzt und hoffst, dass nichts Schlimmes passiert? Fest steht: Du hast auf jeden Fall ganz großen Respekt vor dem, was gleich passiert. Du hoffst nur noch, dass alles gut geht.
Dass du nicht schon in der Anlaufspur strauchelst. Dass du die Skier nicht verkantest und dann bei der Landung in höchste Gefahr gerätst. Das ist alles schon passiert. Es gab mal eine Umfrage unter Springern, wovor sie am allermeisten Angst hätten. »Einen Ski zu verlieren«, antworteten die meisten. Klar, wenn sich in der Luft das Bindungsseil vom Schuh löst, kann das höllisch gefährlich werden. Oder dass dich nicht unverhofft eine Windböe packt, die Thermik und deine Flugkurve schlagartig verändert. Ist alles schon passiert. Auch hier, besonders hier auf dem »Monster-Bakken« in Vikersund.
Monster-Bakken – die spektakuläre Sportbühne
Vikersund ist als Windloch bekannt. In Vikersund, einem kleinen Dorf am Tyrifjorden, etwa 80 Kilometer nördlich von Norwegens Hauptstadt Oslo, steht eine der fünf Skiflugschanzen, die vom Internationalen Skiverband (FIS) zertifiziert sind. Die in Vikersund ist so groß und so tückisch, dass sie gerne als Monster bezeichnet wird. Jedenfalls gilt der Monster-Bakken in Vikersund als eine der spektakulärsten Sportbühnen der Welt.
Für mich sollte diese monströse Flugschanze, sollte die Skiflug-Weltmeisterschaft 2000 zur Bühne für meinen ersten richtig großen Triumph werden.
Zwei Jahre zuvor, bei der Skiflug-Weltmeisterschaft in Oberstdorf, konnte ich bereits die Silbermedaille gewinnen. Dennoch hatte ich an Oberstdorf keine guten Erinnerungen. Ich weiß nur noch, dass mir gleich beim allerersten Trainingssprung – es war 1995 – auf der riesigen Heini-Klopfer-Schanze ein saublödes Malheur passiert ist. Damals, in der Anfangszeit der Sicherheitsbindungen, wurde der Schuh noch
Weitere Kostenlose Bücher