Mein irischer Held
bewegen, das sie niemals aussprechen konnte. Sie atmete tief durch. Wenn man die Dinge von seiner Warte aus betrachtete, war der Anspruch, den er geltend machte, sogar verständlich. Aber – sagte Genevieve sich zum wiederholten Mal – indem er fortgegangen war und Rionallís samt den dort lebenden Menschen allein ließ, hatte er sich selbst um sein Eigentum gebracht.
„Rionallís hat seit jeher unserem Clan gehört“, erklärte er, „und es wird in unserem Besitz bleiben. Wenn Uilliam, Patricks Sohn, alt genug ist, wird er die Verantwortung dafür übernehmen. Möglicherweise werden Land und Burg auch Ewan zufallen. Aber auf keinen Fall wird Rionallís normannisch.“
„Warum sprecht Ihr nicht von Euren eigenen Nachkommen? Gewiss werdet Ihr irgendwann heiraten und Söhne haben.“
„Ich habe geschworen, mich nie wieder zu vermählen.“
Forschend musterte sie sein Gesicht. „Dieser Schwur hat mit Fiona zu tun?“
Bevan wirkte jetzt sehr angespannt. „Wann und wo habt Ihr diesen Namen gehört?“
„Ihr habt nach ihr gerufen, als Ihr vom Wundfieber geschüttelt wurdet und fantasiert habt.“
Seine Miene war undurchdringlich.
„Fiona war Eure Gemahlin?“
„Ja.“
„Was ist mit ihr geschehen?“
„Die Normannen haben sie ermordet.“
Genevieve bemerkte, dass er bebte. Er war wütend, ja. Obwohl er sich bemühte, alle anderen Gefühle zu verbergen, spürte sie genau, dass sein Schmerz größer war als sein Zorn. Gern hätte sie ihm versichert, dass sie mit ihm fühlte. Aber das hätte nur bewirkt, dass er sich noch weiter vor ihr zurückzog. Er war so stolz – und dabei so dickköpfig. Unwillkürlich seufzte sie auf.
„Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Ihr meinem Vater eine Botschaft schicken solltet.“ Genevieve kam auf ihr ursprüngliches Anliegen zurück. „Es ist unnötig, dass Ihr Eure Leute meinetwegen in Gefahr bringt. Weder Strongbows noch Hughs Soldaten sind ihnen freundlich gesinnt.“
Bevan schüttelte den Kopf.
Sie fuhr fort: „Mein Vater ist vielleicht schon in Irland. Er hatte vor, an meiner Hochzeit mit Hugh teilzunehmen, und inzwischen müsste er längst genesen sein.“
„Also gut. Wir werden morgen zu meinem Bruder Patrick nach Laochre reisen. Ich hoffe, ich werde mich darauf verlassen können, dass Euer Vater die Festung nicht angreifen wird. Unsere Leute würden sie bis zum Äußersten verteidigen. Es würde viele Tote und Verletzte geben.“
„Himmel!“ Jetzt ging auch Genevieves Geduld zu Ende. „Habe ich Euch nicht oft genug versichert, dass mein Vater Euch und die Euren nicht attackieren wird?“
„Einem Normannen kann man nicht trauen.“ Das war alles, was Bevan darauf erwiderte.
„Unsinn!“ Seine Worte kränkten sie.
Bevan machte aber alles nur noch schlimmer, als er sagte: „Je eher Ihr uns verlasst, desto besser. Ohne Euch werden wir wieder bedeutend sicherer sein.“
Sie warf ihm einen gekränkten wie auch zornigen Blick zu.
Wie konnte er nur so blind sein? Wie konnte ein kluger Mann sich so in seinen Vorurteilen verstricken? Warum glaubte er ihr nicht, dass von ihrem Vater keine Gefahr für ihn und seine Leute ausging?
Nun, immerhin konnte sie nicht leugnen, dass Hugh keinerlei Rücksicht genommen hätte, wenn ihm zu Ohren gekommen wäre, wo sie sich befand. Er hätte Ennisleigh angegriffen und, ohne nachzudenken, das Leben seiner Soldaten aufs Spiel gesetzt, um möglichst viele Iren zu töten. Dass es nicht dazu gekommen war, war zweifellos Bevan zu verdanken, dem es gelungen war, ihre Spuren zu verwischen. Dafür hatte er ihre Dankbarkeit verdient.
Hugh Marstowe ging vor dem Kamin in seinem Schlafgemach unruhig auf und ab. Noch immer gab es keine Spur von Genevieve. Vergeblich hatten er und seine Leute in der Umgebung von Rionallís Häuser durchsucht und Menschen, die vielleicht etwas hätten wissen können, unter Druck gesetzt. MacEgan und Genevieve blieben verschwunden.
Mehr als einmal hatte Hugh sich ausgemalt, was der Ire wohl mit Genevieve tun mochte. Seine Fantasie hatte ihm Bilder vorgegaukelt, die ihm die Zornesröte ins Gesicht trieb und ihn vor Eifersucht hatten zittern lassen. Bei allen Teufeln, MacEgan würde dafür sterben!
Vor einem beinahe mannshohen Spiegel blieb Hugh stehen. Eingehend betrachtete er sich. Von einem der Dienstboten hatte er sich die blonden Haare ganz kurz schneiden lassen, so wie es unter den Normannen gerade Mode war. Er hatte sich auch rasiert, und prüfend fuhr er nun mit den Fingerspitzen
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